Sonntag, 9. September 2007

"Sächsische Landesbank": Sachsen bleibt auf Schulden-Risiken sitzen

Wie hier bereits vermutet, wird der Freistaat Sachsen auf den Schulden aus dem "Subprime-Abenteuer" der SachsenLB sitzen bleiben. Dazu gab es gestern einen neuen Artikel in der "Welt online", denen laut eigenen Angaben der Kaufvertrag vorliegt, aus denen die nun veröffentlichten und diskutierten Passagen stammen - das ist wirklich starker Tobak! (Hervorhebungen von mir hinzugefügt):

9. September 2007, 14:35 Uhr
Von Uwe Müller
SachsenLB
Sachsen bleibt auf Schulden-Risiken sitzen

Trotz der Übernahme durch die LBBW haftet Sachsen weiter für seine Landesbank. Die Landesregierung weigert sich, drohende Belastungen zu beziffern. Experten befürchten, dass die SachsenLB zum Milliardengrab werden könnte. WELT ONLINE liegt Kaufvertrag vor.

Der Freistaat Sachsen hat beim Notverkauf seiner SachsenLB an die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) Risiken in bisher unbekanntem Ausmaß übernommen. Das geht aus Vertrag über die Veräußerung des Leipziger Instituts hervor.
Der „Grundlagenvereinbarung“ genannte Vertrag besteht aus 13 Seiten mit sechs Kapiteln. Eine Geheimhaltungsklausel verpflichtet die Parteien, die Inhalte des Geschäfts "Dritten gegenüber vertraulich zu behandeln".Geschlossen worden war der Kontrakt am vorletzten Sonntag, um einen unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruch der SachsenLB abzuwenden. Angesichts dieser dramatischen Situation konnte die LBBW den Sachsen offenbar die Bedingungen der Übernahme diktieren.
„Eine solche Vereinbarung schließt man nur ab, wenn man mit dem Rücken zur Wand steht“, sagte der Dresdner Wirtschaftsprofessor Alexander Karmann. Der Bankenexperte, dem die WELT ONLINE den Vertrag zur Bewertung vorgelegt hat, befürchtet: „Für den Freistaat kann sich die SachsenLB noch als dreistelliges Millionengrab, eventuell sogar als ein Milliardengrab erweisen.
Mögliche Belastungen ergeben sich vor allem aus Kapitel IV. („Gewährträgerhaftung“). Dort heißt es: „Die Haftung des Freistaates Sachsen und der Sachsen-Finanzgruppe als bisherige Anteilseigner der SachsenLB für bestehende Verbindlichkeiten der SachsenLB bleibt unberührt.“ Erst ab dem Jahr 2011 will die LBBW die sächsischen Alteigentümer aus der Verantwortung entlassen.
Dauerhaft ausgenommen von einer Haftungsübernahme bleibt laut Vertrag allerdings die sogenannte Ormond Quay Struktur. Dabei handelt es sich um von der SachsenLB ausgegebene Papiere mit gebündelten US-Hypothekenkrediten. Für mögliche Verluste haften hierbei die Alteigentümer uneingeschränkt. Auf Anfrage bezifferte die Bank das aktuelle Volumen der Papiere (Ormond Quay, Eden Quay, Ellis Quay und Merchants Quay) auf 17,0 Mrd. Euro. Ein knappes Fünftel des Betrags soll nach Angaben von Landtagsabgeordneten der CDU und SPD auf das stark ausfallgefährdete US-Subprime-Segment entfallen, das überwiegend aus Kreditnehmern mit geringer Bonität besteht.

Landesregierung weigert sich, drohende Belastungen zu beziffern
Die SachsenLB will sich von den problembehafteten Papieren trennen. Doch das dürfte laut Karmann angesichts der aktuellen Marktsituation und dem schlechten Rating der SachsenLB von BBB+ nur mit erheblichem Abschlag gelingen. „Da sind schnell dreistellige Millionenbeträge erreicht“, sagte Karmann. Wenn sich die Märkte allerdings in den nächsten Monaten nicht beruhigen würden, könnte nach seiner Ansicht „der Verlust noch akzentuierter ausfallen.“ Die Dresdner Regierung weigert sich, drohende Belastungen zu beziffern. „Ich werde nicht über mögliche Risiken spekulieren“, hatte Finanzminister Horst Metz vor Tagen erklärt. Wegen des Fiaskos um die Landesbank will der CDU-Politiker sein Ministeramt Ende September niederlegen.

Unvorteilhaft fallen aus sächsischer Sicht auch die in Kapitel II („Transaktionsstruktur“) fixierten Regelungen zum Kaufpreis aus, den die LBBW für die SachsenLB entrichten muss. Statt Bargeld erhalten die Sachsen lediglich Anteile an der LBBW. Der genaue Wert der SachsenLB wird durch eine unabhängige Unternehmensbewertung mit Stichtag 31. Dezember 2007 ermittelt. Bislang hieß es stets, die LBBW werde einen Mindestpreis von 300 Mio. Euro entrichten – und vielleicht nach der Bewertung noch einen Aufschlag von bis zu 500 Mio. Euro zahlen.

Diese Version entspricht nur der halben Wahrheit. Richtig ist laut Vertrag auch: Nimmt die SachsenLB in den nächsten Monaten eine ungünstige Entwicklung, müssen der Freistaat Sachsen und die Sparkassen-Finanzgruppe tief in ihre Kassen greifen, damit die LBBW die SachsenLB überhaupt übernimmt.

Abhängig ist das von der Kernkapitalquote der SachsenLB. Diese Kennzahl für die Kapitalstruktur von Kreditinstituten belief sich per 30. Juni, also vor dem Ausbruch der Bankenkrise, auf 7,7 Prozent. Sinkt die Quote bis Jahresende auf unter 4,5 Prozent und ist der Wert der SachsenLB null oder negativ sind laut Vertrag erhebliche Zuzahlungen der Alteigentümer fällig: „Bis zur Auffüllung eines konsolidierten Eigenkapitals der SachsenLB in Höhe von 300 Mio. Euro“. Alternativ wird den Sachsen die Wahl gelassen, das Eigenkapital nur bis Null Euro aufzufüllen. In diesem Fall müsste die LBBW überhaupt keinen Kaufpreis entrichten.

Sollte die Kernkapitalquote sogar auf unter den vorgeschriebenen Mindestwert von vier Prozent absacken, wollen sich die Partner (entfällt: laut Vertrag) um „eine einvernehmliche Lösung zur Abwendung dieser existenzgefährdenden Krise“ bemühen. In diesem Fall könnte die LBBW sofort und ohne Begründung vom Kauf der SachsenLB zurücktreten.

Wirtschaftsexperte befürchtet Milliardengrab
Zu diesen Bestimmungen stellt Karmann fest: „Solche Szenarien schreibt man immer dann in einen Vertrag, wenn die realistische Aussicht besteht, dass sie auch eintreten.“ Vermutlich sei die LBBW bei Prüfung der SachsenLB auf „Leichen im Keller“ gestoßen. Der Wissenschafter, der Dekan der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der TU Dresden ist, hält es für wahrscheinlich, dass der Staat für das Debakel bei der SachsenLB „mit rund einer Mrd. Euro gerade stehen muss“.
Seit Gründung Anfang 1992 hat die SachsenLB lediglich 106,2 Mio. Euro Gewinn an ihre Eigentümer ausgeschüttet. Dem steht ein Betrag von 692 Mio. Euro gegenüber, den allein der Freistaat Sachsen nach Auskunft des Finanzministeriums für das Institut aufbringen musste.

Der Vorstandssprecher des Sächsischen Bundes der Steuerzahler, Knut Schreiter, forderte die Landesregierung auf, den möglichen Schaden zu beziffern: „Verschleiern und aussitzen hilft nichts, die Sachsen lieben klare Worte und haben einen Anspruch auf die Wahrheit.“