Montag, 10. September 2007

Bankenkrise: ein weiterer Grund für das Horten von Geldern...

Update
Neben den im Original Post genannten Artikeln finden sich heute sowohl in der Financial Times als auch im Handelsblatt noch weitere Berichte zu diesem Thema (Hervorhebungen von mir hinzugefügt):

Hier als erstes Auszüge aus der Financial Times:

Markt fürchtet Kollaps bei Schuldpapieren
von Heike Buchter (New York)

Den Finanzmärkten droht eine neue Krise, weil in dieser Woche rund 130 Mrd. $ an kurzfristigen Schuldverschreibungen, sogenannten Commercial Papers, fällig werden. Das zurückerhaltene Geld wird üblicherweise sofort in neue Papiere investiert, was Beobachter wegen der Nervosität am Markt aber für kaum noch vorstellbar halten. Dadurch sind Finanzierungsengpässe absehbar.

"Die bevorstehende Umschichtung könnte Turbulenzen auslösen", sagt Jason Trennert, Investmentstratege beim New Yorker Researchhaus Strategas. Auch andere US-Brancheninsider warnen vor negativen Auswirkungen auf die Liquidität im Bankensystem.

Damit schlagen die Zahlungsausfälle auf dem US-Hypothekenmarkt auf einen weiteren Teil der Wirtschaft durch. Am Freitag war bereits ein Einbruch am US-Arbeitsmarkt gemeldet worden. Experten gehen davon aus, dass der absehbare Engpass bei den Commercial Papers auch ein Grund für die Probleme am Geldmarkt ist, weil Banken Liquidität horten und sich untereinander kaum noch Geld leihen.

Der Commercial-Paper-Markt ist rund 2000 Mrd. $ schwer. Banken und Unternehmen leihen sich so kurzfristig Geld. Die Laufzeiten betragen oft nur Tage oder Wochen. In den vergangenen Jahren sind zunehmend Papiere herausgegeben worden, die auf verbrieften Schulden basieren - Autokrediten, Kreditkartenaußenständen oder Hypotheken.

Letzteres hat dazu geführt, dass riskante Subprime-Baukredite den bisher als liquide und sicher geltenden Markt für Commercial Papers erreicht haben. Verschärft wird die Situation, weil viele Banken Commercial Papers nutzen, um komplex strukturierte Finanzprodukte zu finanzieren. Finden sie keine Investoren für die Schuldverschreibungen, sehen sie sich gezwungen, mehr dieser Produkte in die eigenen Bücher zu nehmen. Damit könnte ihre Kapazität zur Kreditvergabe vermindert und der Kreditmarkt belastet werden.


Und hier Auszüge aus dem Handelsblatt:

HANDELSBLATT, Montag, 10. September 2007, 08:23 Uhr
Geldmarktsatz schießt nach oben

Finanzmärkte fürchten neue Turbulenzen
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kol/mm DÜSSELDORF/LONDON. Am Dienstag trifft sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem Chef der US-Notenbank, Ben Bernanke, um über das Ausmaß der Kreditkrise und die Risiken für die internationalen Finanzmärkte zu sprechen.
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Nach Angaben aus Bankenkreisen werden in den kommenden zehn Tagen rund 20 Prozent aller kurzfristigen von europäischen Instituten begebenen Kredite fällig. Das Volumen dieser sogenannten Commercial Papers summiert sich auf 140 Mrd. Dollar. Banker befürchten, dass ein Großteil der Papiere nicht verlängert wird und dass die Geldhäuser erhebliche Teile dieser Darlehen auf die eigenen Bücher nehmen müssen. Dies könnte die Verwerfungen am Geldmarkt noch verschärfen.
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Die Summe der in den kommenden zehn Tagen zur Verlängerung anstehenden Commercial Papers übersteigt deutlich die Mitte August fällig gewordenen 100 Mrd. Dollar, die bereits zu massiven Verwerfungen am Geldmarkt geführt hatten. In den vergangenen Tagen war der Satz, zu dem sich Banken am Finanzplatz London gegenseitig Geld für drei Monate leihen (London Interbank Offered Rate, Libor), für das britische Pfund mit 6,8 Prozent auf den höchsten Stand seit 1998 gestiegen. Damit lag der Dreimonats-Libor mehr als einen vollen Prozentpunkt über dem aktuellen Leitzins der Bank of England. Die Zentralbank versprach in der vergangenen Woche erstmals Liquiditätshilfen für den krisengeschüttelten Finanzsektor. Die Zusage, zusätzlich 4,4 Mrd. Pfund in den Markt zu pumpen, sorgte allerdings nur bei den Tagesgeldzinsen für Beruhigung, die Sätze für mittelfristige Darlehen verharrten auf ihrem Rekord-Niveau.

Der Ursprung der aktuellen Probleme liegt in der sogenannten Subprime-Krise, dem Kollaps des Markts für zweitklassige Hypothekenkredite in den USA. In den vergangenen Jahren hatten zahlreiche Banken für ihre Kunden Spezial-Fonds aufgelegt. Diese Fonds investierten in Anleihen, die mit Einnahmen aus US-Hypothekendarlehen besichert waren. Diese Investitionen refinanzierten die Fonds zum großen Teil über Commercial Papers.

Seit die Subprime-Krise immer weitere Kreise zieht und immer mehr Märkte ansteckt, sind Großinvestoren wie Versicherer und Pensionsfonds allerdings nicht mehr bereit, den Banken die Commercial Papers für die Refinanzierung der Fonds abzukaufen. In der Folge könnten zahlreiche Institute gezwungen sein, die Darlehen in die eigenen Bücher zu nehmen, um Liquiditätsgarantien für die Spezialfonds zu erfüllen. Experten sehen in dieser Gefahr den Hauptgrund für die Krise am Geldmarkt.

„Wir stehen vor einer kritischen Phase, so prekär war die Lage seit der LTCM-Krise nicht mehr“, sagte am Wochenende der Vertreter einer britischen Großbank. Der Beinahe-Kollaps des Hedge-Fonds LTCM hatte 1998 kurzfristig die Stabilität des Weltfinanzsystems bedroht.

Am Freitag hatten deutlich schlechter als erwartete Daten zum US-Arbeitsmarkt weltweit die Angst vor einer weiteren Verschärfung der Finanzkrise geschürt. Statt des prognostizierten Zuwachses von 110 000 neuen Stellen gingen in der US-Wirtschaft 4 000 Arbeitsplätze verloren.
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Im Sunday Telegraph gibt es einen interessanten Artikel, der einen weiteren Grund für die Interbanken-Probleme liefert: die Banken bilden laut diesem Bericht Rücklagen für Commercial Papers, die in "normalen Zeiten" eigentlich von Investoren gekauft worden wären. Die durch die Subprime-Kreditkrise verunsicherten Investoren scheuen momentan allerdings jegliche Art von Risiken wie der Teufel das Weihwasser und so konnten die Banken diese Commercial Papers nicht weiterverkaufen - stattdessen blieben einige / viele Banken auf den nun fällig werdenden Papieren sitzen (Hervorhebungen von mir hinzugefügt):

Banks face 10-day debt timebomb

By Iain Dey, Sunday Telegraph
Last Updated: 12:02am BST 10/09/2007

Britain's biggest banks could be forced to cough up as much as £70bn over the next 10 days, as the credit crisis that has seized the global financial system sparks a fresh wave of chaos.

Almost 20 per cent of the short-term money market loans issued by European banks are due to mature between September 11 and September 19. Senior bankers fear that they will have to refinance almost all of these debts with funds from their own coffers, putting a further strain on bank balance sheets.

Tens of billions of pounds of these commercial paper loans have already built up in the financial system, because fear-ridden investors no longer want to buy them. Roughly £23bn of these loans expire on September 17 alone.

Fears of this impending call on bank credit lines are the true reason that lending between banks has ground to a halt, according to senior money market sources.

Banks have been stockpiling cash in preparation for this "double rollover" week, which sees quarterly loans expire alongside shorter term debts - exacerbating a problem that lies at the heart of the credit crisis.

"Banks are hoarding cash," said David Brickman, the head of European credit strategy at Lehman Brothers. "We think the reason for that is the commercial paper markets. There was $100bn of commercial paper issued by European institutions that was scheduled to roll over in August, much of which struggled to do so.

"Those markets are just not functioning normally, so some debt has already come on to bank balance sheets and more will have to follow. We estimate that between September 11 and 19 $139bn [£68.5bn] of European commercial paper [will come] up for renewal, including monthly and quarterly maturities. That's why banks are hoarding cash."

Mervyn King, the governor of the Bank of England, last week made his first intervention in the money markets since the credit crisis began, pledging to inject £4.4bn into the overnight lending system if required.

DeAnne Julius, a former member of the Bank's Monetary Policy Committee, told The Sunday Telegraph: "The Bank has a responsibility to allow the smooth functioning of the sterling money markets and it has a pretty clear framework for doing that. But it needs to apply that framework to achieve the objectives it is aiming at. The experience of the last couple of weeks does not look as if it [the Bank] has been very successful at that."

Although the markets have viewed King as reluctant to bail out irresponsible lenders, the BoE has not ruled out further interventions. But senior bankers say King is unsure that pledging funds over a three-month duration would solve the liquidity crisis. He is said to share the view that the root of the liquidity problem lies in the commercial paper markets.

Market sources believe confidence will be restored only when all the sub-prime losses in the system have been exposed.

Christopher Wood, the strategist at Hong Kong-based brokerage CLSA Asia-Pacific Markets credited with predicting the US sub-prime crisis two years ago, said: "The sub-prime crisis has exposed the structured credit asset class as highly dubious. In five years' time it won't exist."


Dazu passend ein weiterer Artikel aus der Wirtschaftswoche:

In London wächst die Nervosität

Die Banken im Königreich rätseln noch über das Ausmaß der Kreditkrise. Schätzungen zufolge kursieren weltweit 250 Milliarden Dollar an Subprime-Krediten in den Bilanzen der Geldinstitute. Eine Zeitbombe, die Europas wichtigsten Finanzplatz hart treffen könnte.

„Niemand denkt derzeit daran, sich aus dem Fenster zu stürzen. Aber im September werden wir erfahren, wie groß das Problem wirklich ist“, so ein Banker. Gleichzeitig werden die Rufe nach mehr Transparenz lauter. „Die britischen Banken müssen in den nächsten drei bis vier Wochen dringend mitteilen, wie stark sie betroffen sind“, fordert ein Fondmanager. Vor allem die Investmentbank Barclays Capital ist tief in den Strudel der Subprime-Krise geraten.

Wie es bei den anderen einheimischen und internationalen Instituten steht, ist noch unbekannt. In der City kursieren Schätzungen, wonach Subprime-Kredite aus den USA die verkauft wurden und sich jetzt weltweit in den Büchern von amerikanischen, europäischen und asiatischen Banken befinden, auf bis zu 250 Milliarden Dollar summieren könnten. Vor allem die Investmentbanken dürften betroffen sein. Hier tickt eine Zeitbombe, die London als Europas wichtigsten Finanzplatz hart treffen könnte.

Seit der 33jährige Edward Cahill, der bei Barclays Capital für die sogenannten SIVs („Structured Investment Vehicles“) verantwortlich war, die Bank überstürzt verließ, schießen die Spekulationen ins Kraut. Über das Ausmaß der Verstrickung von Barclays Capital, herrscht große Unsicherheit, nachdem die britische Investmentbank kürzlich zweimal binnen zwei Wochen eine Notfall-Kreditlinie der Bank of England in Anspruch nehmen musste. Was die übrigen Banken am Finanzplatz London angeht, so gibt es im Hinblick auf ihre Verwicklung in die aktuelle Finanzkrise viele Fragezeichen.
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