Mittwoch, 19. September 2007

FED: erwartete Senkung der Leitzinsen und die Reaktionen

Nach den jüngsten Turbulenzen an den Finanzmärkten musste die FED gestern - wie erwartet - die Leitzinsen senken. Sie tat dies sogar deutlicher, als von vielen angenommen, nämlich um 0,5% - mit der Aussicht auf weitere Zinssenkungen, falls diese "notwendig" werden sollten.
War bisher der eintsimmige Tenor der FED, dass die grösste Sorge der Notenbank die Inflation sei, war davon plötzlich nichts mehr zu lesen - nun gilt die grösste Aufmarksamkeit dem kollabierenden Immobiliensektor - und dafür nimmt man auch gerne das Schreckgespenst "Inflation", steigende Rohstoffpreise, sowie einen weiter sinkenden Dollar in Kauf - und genau so haben die Märkte gestern auch reagiert.

Hier der Intraday-Verlauf des US Dollar Index, der den Werte des Dollars zu sieben grossen Währungen darstellt:



Am folgenden Chart sieht man schön, dass der Wert des Dollars gegenüber dem o.g. Korb aus sieben Währungen seit einem Jahr kontinuierlich sinkt:



Und hier im Vergleich dazu die Reaktion beim Gold (die rote Linie ist dabei der Intraday-Verlauf von gestern):



Die folgenden Monate werden zeigen, ob die Zinssenkung die von der FED erhofften Wirkung haben wird.

Dazu ein interessanter Artikel aus der Süddeutschen Zeitung:


Retter in vielen Nöten
Nicht zum ersten Mal spielt die amerikanische Notenbank eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung einer Krise. Dabei sind die Rettungsaktionen vor allem mit einem Namen ganz besonders stark verbunden.
Von Nikolaus Piper

Alan Greenspan war gerade fünf Wochen Präsident der Notenbank Federal Reserve, als er den ersten dramatischen Test seiner Amtszeit bestehen musste. Am 19. Oktober 1987 brachen die Aktienkurse an der Wall Street um fast 23 Prozent ein, der zweitgrößte Kurssturz der Geschichte. Der Tag ging als "Schwarzer Montag" in die Geschichte ein, eine Kernschmelze in den globalen Finanzmärkten schien unmittelbar bevorzustehen.

Greenspan reagierte auf die Gefahr ebenso dramatisch: Er senkte den Leitzins, die Federal Funds Rate, um einen ganzen Prozentpunkt und pumpte massiv Geld in den Wirtschaftskreislauf. Das Signal wirkte, und Banken und Börsenhändler fassten wieder Vertrauen.

Nach diesem Muster verhielt sich Greenspan in seiner fast 19-jährigen Amtszeit immer wieder: Er machte den Finanzmärkten klar, dass Liquidität kein Problem ist. Dadurch wurde die Fed deutlich interventionistischer als die Europäische Zentralbank (EZB) oder zuvor die Deutsche Bundesbank. Das mag mit einem historischen Trauma zu tun haben: der Weltwirtschaftskrise. Milton Friedman, ein Ökonom, auf den Greenspan große Stücke hielt, gab der Fed die Hauptschuld an der Katastrophe. Erst dadurch, dass die Notenbank das Geld verknappte, sei aus dem Börsenkrach von 1929 eine große Depression geworden.

Weltweiter Schock

Dramatisch reagierte Greenspan auch elf Jahre später, in der Krise von 1998, einer Episode in der Globalisierung der Finanzmärkte, die in vielem den gegenwärtigen Marktturbulenzen ähnelt. Die Krise begann am 17. August 1998, nicht an der Wall Street, sondern weit entfernt in Moskau: Russlands Regierung erklärte die Zahlungsunfähigkeit des Landes. Sie wertete den Rubel ab und verkündigte ein einseitiges Schuldenmoratorium. Die Erklärung löste einen Schock auf der ganzen Welt aus, die Börsen gerieten in Aufruhr, die Zinsen von Anleihen und Kreditbriefen privater Emittenten sprangen in die Höhe, weil niemand mehr Risiken eingehen wollte. Alles flüchtete in sichere amerikanische Staatspapiere - wie in diesem Sommer.

Das brachte in Amerika einen großen Hedge-Fonds in Schieflage: Long-Term Capital Management (LTCM). Der Fonds arbeitete bis dahin erfolgreich mit hochkomplexen Computermodellen, die zwei Wirtschafts-Nobelpreisträger, Robert Merton und Myron Scholes, entworfen hatten. Die Modelle funktionierten wunderbar, solange die Märkte erwartbare Muster zeigten. Doch nun änderten sich diese Muster schlagartig. Aktienkurse, die laut Modell eigentlich sinken sollten, stiegen und umgekehrt. Das Eigenkapital des Fonds schmolz zusammen. Die Lage war deshalb so gefährlich, weil LTCM bei großen Banken mit insgesamt 124,5 Milliarden Dollar in der Kreide stand. Ein Zusammenbruch drohte, diese mit in den Strudel zu ziehen.

Greenspan und der damalige US-Finanzminister Robert Rubin beschlossen zu handeln. Rubin schickte einen Staatssekretär nach Connecticut an den Sitz von LTCM, um die Lage zu sondieren. Der Chef der Federal Reserve Bank von New York, William McDonough, rief im Einvernehmen mit Greenspan die beteiligten Banken zu einer Krisensitzung zusammen. Am 23. September willigten die Banken ein, LTCM mit vier Milliarden Dollar beizuspringen. Am 29. September belohnte Greenspan alle Beteiligten und senkte den Leitzins von 5,5 auf 5,25 Prozent; im Oktober und November folgten zwei weitere Zinssenkungen. Die Krise war vorbei, der Börsenboom ging weiter.

Demonstratives Handeln nach den Anschlägen

Auch drei Jahre später, nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001, grassierte in der Fed die Furcht vor einer Kernschmelze. Als die New Yorker Börse am 17. September wieder öffnete, kam es Greenspan zunächst darauf an, die Kursverluste zu begrenzen. Er senkte den Leitzins demonstrativ und außerhalb einer regulären Sitzung um einen halben Prozentpunkt auf 3,0 Prozent. Weitere Halb-Prozent-Schritte folgten im Oktober, November und Dezember.

Greenspan rechtfertigt dieses Vorgehen in der vorigen Woche in der Rückschau ausdrücklich. "Wir handelten in einem Umfeld, in dem die Inflation zurückging. Wir mussten nicht fürchten, Inflationsdruck aufzubauen." Gleichzeitig versuchte er, seine Landsleute mit Worten zu beruhigen. Vor dem Bankenausschuss des Kongresses versicherte er, die US-Wirtschaft habe genügend "Widerstandskraft", um den Schock des 11. September auszuhalten. Im Nachhinein stimmt das, damals jedoch tat Greenspan viel optimistischer, als er tatsächlich war, wie er in seinen Erinnerungen bekennt.

Tatsächlich war es keineswegs selbstverständlich, dass 2001 ein Zusammenbruch des Finanzsystems verhindert wurde. Das Problem liegt darin, dass Greenspan die Geldpolitik weiter lockerte, obwohl die Rezession bereits Ende 2001 vorbei war. Am 6. November 2002 sank der Leitzins auf 1,25 Prozent; damals erschütterte die Enron-Krise das Selbstvertrauen der US-Wirtschaft. Am 25. Juni landete der Zins schließlich bei 1,0 Prozent, dem niedrigsten Stand seit Juli 1958. Das heizte die Spekulation auf dem amerikanischen Immobilienmarkt erst richtig an und begünstigte die Exzesse bei der Hypothekenfinanzierung.

Im Übrigen verdankt die Fed ihre Gründung einer Finanzkrise. 1907 war eine Spekulationsblase an den US-Börsen geplatzt, die Kurse stürzten binnen eines Jahres um 50 Prozent ab. In der Folge kam es zu einem Bankenkrach, bei dem mehrere große Institute untergingen. Zwar rettete der Finanzmagnat John Pierpont Morgan die Wirtschaft durch eine private Stützungsaktion. Die Ereignisse überzeugten die Finanzwelt jedoch davon, dass Amerika eine nationale Währungsbehörde brauchte. Am 23. Dezember 1913 beschloss der Kongress die Schaffung des Federal Reserve Systems.