Donnerstag, 13. September 2007

FTD: "US-Finanzierungsmaschine stockt"

Ebenfalls aus der Financial Times ein Artikel, der nochmal die Zusammenhänge zwischen der (ursächlichen) US-Hypothekenkrise und den aktuellen Problemen darstellt.

US-Finanzierungsmaschine stockt
von Doris Grass (Frankfurt)
Kurzfristige Geldmarktpapiere finden kaum noch Käufer. Die Flaute ist ein Schlag für die Banken, die höhere Risikoprämien zahlen müssen.

Den Finanzmärkten steht nach Ansicht von Bankexperten noch einiges bevor, bis es zu einem Abflauen der US-Hypothekenkrise und damit auch der Vertrauenskrise unter den Banken kommen kann. Viele Volkswirte, aber auch Zentralbankvertreter und Politiker haben das Ausmaß des Überschwappens der US-Hypothekenkrise auf andere Märkte zumindest anfangs deutlich unterschätzt. Sie hatten nicht erwartet, dass die dortigen Probleme so stark auf andere Märkte überschwappen und eine Liquiditätskrise unter den Banken auslösen würden.



Ursache dafür ist, dass die Risiken an den Finanzmärkten heute breiter gestreut sind als früher. Der Nachteil: Niemand weiß, in welchen Bilanzen die Risiken schlummern. Einer der Gründe hierfür ist die Komplexität der Produkte. Die Banken, die die notleidenden Baukredite vergeben haben, verkaufen diese heutzutage an Investmentbanken, die sie wiederum in verschiedenste und teils sehr kompliziert strukturierte Produkte umwandeln und dann an ein breites Investorenpublikum veräußern.

Aus den Krediten an US-Bauherren zweitklassiger Bonität (Subprime) wurden so mit Hypotheken besicherte Anleihen (Residential Mortgage-Backed Securities, kurz: RMBS), die wiederum verpackt wurden in Collateralized Debt Obligations (CDOs). Die CDOs bestehen meist aus einer Reihe von Anleihetranchen mit unterschiedlicher Liquidität und Kreditqualität sowie unter- schiedlichem Fremdkapitalanteil. Obwohl dies eine solide Risikostreuung und damit nur begrenzte Anfälligkeit für Zahlungsausfälle vermuten lässt, ist die Realität eine andere, konstatieren die Experten der Fondsgesellschaft Fidelity International.

"Als die Ratingagenturen die unteren CDO-Tranchen herabstuften, brachen die zugrunde liegenden Kurse derart ein, dass die Liquidität über alle Tranchen hinweg versiegte und selbst Inhaber erstklassiger Papiere in Mitleidenschaft zog", schreiben die Fondsmanager. Hieran habe sich eine Neubewertung sämtlicher Risiken angeschlossen, weshalb die zu erwartende Abmilderung des Risikos wegen der Streuung ausblieb. Credit Suisse und Deutsche Bank schätzen, dass Investoren mittelfristig allein bei CDOs, die mit Subprime-Hypotheken unterlegt sind, auf Verlusten von 50 bis 90 Mrd. $ sitzen bleiben könnten.

Eine solche Abwärtsspirale war auch bei anderen forderungsbesicherten Wertpapieren (Asset-Backed Securities/ABS) eingetreten. Die Folge: zahlreiche Fonds, die in solche Papiere investiert hatten, mussten zumindest vorübergehend schließen. Außerdem brach der Markt für forderungsbesicherte kurzfristige Geldmarktpapiere (Asset-Backed Commercial Paper/ABCP) ein, weil sich keine Abnehmer mehr für die Papiere fanden. In Kanada konnte der Markt nur durch eine Rettungsaktion internationaler Banken vor dem Kollaps bewahrt werden.

ABCP-Papiere haben Laufzeiten von wenigen Tagen bis zu unter zwei Jahren und sind mit Kreditkartenschulden, Autokrediten oder Hypotheken besichert, die eine längere Laufzeit haben. Deshalb müssen die Finanzierungsvehikel immer wieder neue Geldmarktpapiere an Investoren verkaufen, um fällig werdende zu tilgen.

Zu den wenigen Firmen, die sich aktuell zumindest bei Banken Finanzierungen sichern können, gehört GMAC. Die US-Großbank Citigroup räumte dem ehemaligen Finanzierungsarm des Autobauers General Motors am Mittwoch eine Kreditlinie über bis zu 21 Mrd. $ ein, mit der diese neue Auto- und Hypothekenkredite vergeben und fällige Kredite refinanzieren kann. "Das hilft GMAC sicher aus der Klemme", sagte Nigel Sillis, Anleiheexperte Baring Asset Management in London. Ganz uneigennützig war die Aktion aber wohl nicht. Schließlich ist Citigroup Teil der Investorengruppe um die Beteiligungsfirma Cerberus, die 2006 die Mehrheit an GMAC gekauft hat.

Mit 1200 Mrd. $ ist der ABCP-Markt laut Lehman Brothers das größte Segment des 2200 Mrd. $ großen US-Marktes für kurzfristige Wertpapiere (Commercial Paper/CP). Letzterer wird mit einem Emissionsvolumen von rund 800 Mrd. $ von den Banken beherrscht. Der europäische CP-Markt hat ein Volumen von rund 840 Mrd. $. Gerät diese Refinanzierungsmaschinerie ins Stocken, sind die Banken am stärksten betroffen: Sie müssen derzeit deutlich höhere Risikoaufschläge auf die kurzfristigen Papiere zahlen - falls sie sie überhaupt am Markt unterbringen können.

Nach Angaben der US-Fed ist das ausstehende Volumen amerikanischer CPs binnen Kurzem geschrumpft, es erlebt den schlimmsten Einbruch seit 2000. Das Gesamtvolumen der CPs, die in 270 Tagen oder einem kürzeren Zeitraum fällig werden, sank in der Woche per 5. September um 54,1 Mrd. $ auf saisonbereinigt 1930 Mrd. $. Das Gesamtvolumen ausstehender CPs ging in den vergangenen vier Wochen um 298,2 Mrd. $ oder 13 Prozent zurück. Die Platzierungen von ABCPs sackten in den USA im August nach Schätzungen der Deutschen Bank gegenüber dem Vorjahresmonat um 73 Prozent auf nur noch 30 Mrd. $ ab.

Deshalb müssen die Institute derzeit entweder auf den Geldmarkt zurückgreifen - was die Zinsen dort massiv in die Höhe getrieben und die Zentralbanken zu riesigen Liquiditätsspritzen veranlasst hat. Oder sie müssen auf längerfristige Emissionen ausweichen. Das macht die Refinanzierung aber ebenfalls teurer und drückt die Gewinne. Schränken die Banken, wie erwartet, auch noch ihre Kreditvergabe ein, wird dies sowohl die Verbrauchernachfrage als auch die Investitionstätigkeit der Unternehmen dämpfen - auch in Europa.