Das Spanien in puncto Immobilienspekulation teilweise noch "schlimmer" ist als Amerika, kann man auf diversen Seiten nachlesen. Nun ist diese Info scheinbar auch bis zur tagesschau vorgedrungen:
Spanischer Wohnungsmarkt in der Krise
Platzt die Immobilienblase?
"Se vende" - zu verkaufen - plötzlich hängen diese Schilder überall. Doch Normalverdiener können sich in Spanien keine eigene Wohnung mehr leisten. Der Bauboom der vergangenen Jahre hat die Preise für Wohneigentum ins Astronomische klettern lassen.
Von Ute Brucker, ARD-Studio Madrid
Bauen, bauen, immer mehr bauen. Die Immobilienträume der Spanier sind in den Himmel gewachsen. 250 Meter hoch sind die neuen Wahrzeichen der Hauptstadt Madrid, Bürotürme als Symbol für wirtschaftlichen Höhenflug. Immer größer, immer höher, immer teurer aber immer weniger Spanier können sich das leisten.
Manche können in Madrid schon gar nicht mehr wohnen - Rocio Ramos ist eine von ihnen. Die Hypothekenzinsen haben einen neuen Höchststand erreicht, liest sie im Bus. 1 ¼ Stunden fährt Rocio jeden Tag von der Arbeit nach Hause. Vor zwei Jahren ist sie aus der Stadt gezogen und wohnt jetzt 60 Kilometer außerhalb - zwangsweise: "Madrid ist nicht drin für uns. Die Preise sind horrend. Deshalb ziehen die Leute immer weiter raus, weil Du in Madrid weder etwas mieten noch etwas kaufen kannst."
"Den Leuten steht das Wasser bis zum Hals"
Dabei ist auch die Wohnung, die sich Rocio und ihr Freund hier draußen gekauft haben, völlig überteuert. Ein Wohnblock aus den Siebzigerjahren, optisch von begrenztem Charme. Aber Rocio ist eine typische Spanierin - kaum hatte sie ein festes Gehalt, nahm sie auch schon eine Hypothek auf. Die 65 Quadratmeter haben fast 200.000 Euro gekostet. Immens viel für spanische Einkommensverhältnisse. Rocio ist Sekretärin, ihr Freund Borja arbeitet als Gärtner. Netto verdienen sie 1.900 Euro - beide zusammen, wohlgemerkt. "Unser Problem ist die Immobilienspekulation in Spanien", sagt Rocio. "Die Wohnungspreise sind wahnsinnig hochgegangen. Daran haben sich ein paar Leute extrem bereichert und dem Rest der Bevölkerung steht das Wasser bis zum Hals, so wie uns."
Denn jetzt steigen auch noch die Zinsen. Wie die meisten Spanier haben die beiden einen Kredit mit variablem Zinssatz. Aus der anfänglichen monatlichen Belastung in Höhe von 700 Euro wurden im vergangenen Jahr 860 Euro. "Und jetzt steht die nächste Erhöhung bevor, vermutlich nochmal um 150 Euro", befürchtet Rocio, "damit sind wir bei 1000 Euro monatlich, das können wir nicht mehr bezahlen." Und ihr Freund Borja ergänzt: "Jedes Mal wenn die Hypothek hochgeht, knapsen wir uns irgendwo eine Summe ab. Ständig müssen wir neu überlegen, worauf wir noch verzichten können. Der nächste Schritt ist jetzt, dass wir auch noch mein Auto verkaufen."
Krisenstimmung an der Mittelmeerküste
Und der übernächste wird sein, die Wohnung wieder abzustoßen. "Se vende" - zu Verkaufen -, plötzlich hängen in Madrid überall diese Schilder. Plötzlich wollen alle verkaufen, aber nur noch wenige kaufen. Der Immobilienmarkt stagniert. Kein Wunder, bei diesen Wahnsinnspreisen: 25 Quadratmeter für 202.000 Euro.
Wir fahren runter an die Mittelmeerküste bei Valencia. Auch hier haben sich die Preise in den letzten zehn Jahren vervierfacht, und noch wird weitergebaut. Dieter Moll lebt schon lange hier - der ehemalige Besitzer der deutschen Zeitung "Costa Blanca Nachrichten" hat jahrelang beobachtet, wie Deutsche, Engländer und Spanier systematisch die Küste mit Beton zugepflastert haben. Doch jetzt ist auf einmal auch hier Krisenstimmung angesagt, die Preise beginnen zu fallen, erzählt Moll: "360.000 Euro für diese Art von 3-Zimmer-Wohnungen - wer kann sich das noch leisten?"
Dieter Moll besucht Jaime Gilabert, einen befreundeten Immobilienmakler. Die Makler, erzählt Moll, senken die Preise um zehn bis 15 Prozent und ködern die Kunden mit Geschenken: Eine Einbauküche oder einen Zweitwagen gibt es gratis zur Wohnung dazu. Gilabert schildert die Situation so: "Bis vor kurzem hast Du irgendwo ein Werbeschild für ein Bauprojekt aufgestellt und die Leute haben blind gekauft. Das war ja auch nicht normal, das war pure Spekulation."
"Die Blase muss platzen"
Vielleicht hat die Krise ja auch ihr Gutes - der Landschaft hier würde eine Atempause guttun, schließlich wurden ihr schon genug Wunden zugefügt. Doch Spanien hat von der Spekulation gelebt: Der Bausektor erwirtschaftet einen doppelt so hohen Anteil am Bruttoinlandsprodukt wie im Rest Europas. Wenn die Immobilienblase platzt, gerät hier die ganze Wirtschaft aus den Fugen.
"Irgendwas wird passieren", glauben Rocio und Borja. "Die Blase muss platzen. Denn immer mehr Leute werden ihre Wohnungen wieder verkaufen müssen, weil sie die Hypothek nicht mehr zahlen können. Wenn das so weiter geht, reden wir nicht von tausenden, sondern von hunderttausenden Leuten, die davon betroffen sind." Kneipe, Kino oder Bar - Rocio und Borja können sich das kaum noch leisten. Spazierengehen ist angesagt, als günstige Freizeitbeschäftigung. "Unsere Wohnung", sagen sie, "geben wir als Allerletztes auf".