Sonntag, 9. September 2007

James Turk: "Größte Finanzkrise seit Weimar"

In letzter zeit gab es bei der Süddeutschen Zeitung des öfteren interessante Berichte zu den aktuellen Turbulenzen am Finanzmarkt. Nun gibt es wiederum einen lesenswerten Artikel. Im Anschluss an den Artikel habe ich noch zusätzlich einen Leserkommentar angehängt, der das Funktionieren einer goldgedeckten Währung in Frage stellt.

Von Beruf Schwarzseher: James Turk
"Größte Finanzkrise seit Weimar"

Der amerikanische Ökonom Turk prognostiziert den krisengeschütteltem Finanzmärkten ein jähes Ende - und rechnet mit der Rückkehr des Goldstandard.
Von Simone Boehringer

James Turk gibt dem Dollar keine drei Jahre mehr. Er legt den Großteil seines Ersparten in Gold an und sieht die größte Wirtschaftskrise seit den 20er Jahren kommen.

Hätte nicht die Hypothekenkrise in Amerika die Welt gerade aufgeschreckt und eine breite Debatte um die Geldpolitik der Notenbanken entfacht, würden solche Thesen von einem Außenseiter-Ökonomen wie James Turk wohl kaum auffallen.

Doch die wiederholten Geldspritzen der Währungshüter, die damit versuchen, die von Misstrauen geprägten Kreditmärkte am Laufen zu halten, lassen die Aussagen des Einwanderersohnes aus Ohio in anderem Licht erscheinen. "Die Zentralbanken werfen schlechtem Geld gutes in Massen hinterher. Das wird die Inflation anheizen und gefährdet das ohnehin fragile Finanzsystem aufs Äußerste", sagt Turk im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung.

Eigenes Geldsystem

Auch wenn es die freundlich-ruhige und gemütliche Art des zweifachen Familienvaters kaum erahnen lässt: Turk gehört zur Spitze der internationalen Kritikerriege des globalen Finanzsystems.

Im Unterschied zu den meisten Schwarzsehern seiner Zunft hat er seine Sicht der Dinge nicht nur materiell, sondern auch rechtlich abgesichert: Turk hat sich ein eigenes Online-Geldsystem auf Edelmetallbasis namens "Goldmoney.com" patentieren lassen. Immerhin 30000 Anleger weltweit haben ihm nach seinen Angaben umgerechnet 200 Millionen Euro anvertraut, um damit in Turks "Goldwährung" bezahlen zu können.

Auf dem Weg von seinem Wohnsitz in New Hampshire zu einer Vortragsreise in Mumbay (Bombay) hat der 60-jährige Autor eines vielbeachteten Buches über den "Kollaps des Dollars" (2004) einen Zwischenstopp in München eingelegt und erklärt, warum er die Finanzwelt derzeit so negativ sieht.

"Das Bankensystem hat 20 Jahre Kredite im Überfluss kreiert und damit eine Illusion von Wohlstand geschaffen, der in diesem Maße nie erarbeitet wurde. Jetzt müssen wir den Preis dafür zahlen. Vor allem die Vereinigten Staaten, wo es eine tiefe Rezession geben wird, wahrscheinlich gepaart mit hoher Inflation", ist Turk überzeugt.

Selbst eine Hyperinflation, wie sie in Deutschland 1923 die Reichsmark wertlos machte, hält er vor dem Hintergrund eines inzwischen zweistelligen Geldmengenwachstums in Amerika und Euroland für ein realistisches Szenario. "Auf dem Höhepunkt der Krise in den Zwanzigern waren 17Prozent der Bevölkerung Berlins damit beschäftigt, Geld zu drucken, zu zählen, zu stapeln und herumzutransportieren.

Genau dasselbe geschieht heute an den Brokertischen in New York. Immer mehr Menschen handeln mit Geld und verbrieften Forderungen aller Art, um die Unzulänglichkeiten des Systems zu überdecken."Die Parallele zur Zeit der Weimarer Republik treibt Turk um: "Als die Leute damals merkten, dass sie für ihr Geld immer weniger bekamen, drückte die Reichsbank mehr Geld in den Markt. Der Gedanke dahinter war genauso simpel wie falsch: Mehr Geld in den Händen der Menschen bedeutet mehr Kaufkraft."

Tatsächlich wichen die Leute immer mehr in Ersatzwährungen wie Zigaretten oder Gold aus oder tauschten gleich direkt Ware gegen Ware. Nach Ansicht Turks "agiert heute die US-Zentralbank ähnlich, nur druckt sie nicht mehr echtes Papiergeld, sondern vergibt neue Kredite und nennt das dann Liquiditätsspritzen".

Das Resultat: "Die großen Dollar-Gläubiger diversifizieren zunehmend ihre Devisenreserven und die Währung verliert ständig an Wert."

Turks Analogien zur jüngeren deutschen Wirtschaftsgeschichte kommen nicht von ungefähr. Sein Vater war Österreicher, die Mutter Slowenin. Beide hatten die Hyperinflation Anfang der 20er Jahre am eigenen Leib miterlebt und waren deshalb nach Amerika ausgewandert.

Nach dem Abschluss an der George Washington University 1969 entschied sich Turk zunächst für eine Karriere bei einer Großbank. Für die damalige Chase Manhattan (heute J. P. Morgan Chase) ließ er sich nach Thailand versetzen. Von dort verfolgte er auch die Bankenkrise, die durch der Pleite der Kölner Herstatt-Bank im Jahr 1974 eingeleitet wurde. "Ich fand es unfassbar, dass so eine kleine deutsche Bank mit ein paar Devisen-Fehlspekulationen gleich das ganze Bankensystem erzittern lassen konnte."

Gefragter Ratgeber

Turk begann zu lesen, alles über Geldtheorie und -historie interessierte ihn. 2000 Bücher hat er dazu inzwischen auf seine zwei Wohnsitze in London und New Hampshire verteilt. Hauptberuflich spezialisierte sich Turk in den 70er und 80er Jahren zunehmend auf die Rohstoffmärkte, erst als Händler eines kleineren Brokers, bevor er 1983 die Verantwortung über die Geld- und vor allem Edelmetallanlagen der saudi-arabischen Investmentbehörde in Abu-Dhabi übernahm.

1987 zog er sich aus dem Angestellten-Dasein zurück und beschränkt sich seitdem auf das Kommentieren der weltweiten Finanzmärkte. Neben einem regelmäßigen Newsletter ist Turk trotz seiner teils extremen Ansichten auch in den Vereinigten Staaten ein gefragter Interviewpartner. "Money specialist", Geldspezialist, nennen sie ihn beim US-Fernsehen oder auch in Fachmagazinen wie Barrons.

Doch seine fundamentale Systemkritik kann Turk nach fast 40 Jahren im Geld- und Anlagegeschäft und der "derzeit größten Finanzkrise seit Weimar" nicht mehr verhehlen. "Ich glaube, dass wir binnen zehn Jahren ein neues goldgedecktes Währungssystem bekommen werden, weil das herrschende Papiergeldsystem wie die meisten seiner Vorgänger an der mangelnden Disziplin bei der Geldschöpfung zugrunde gehen wird." Heute kostet Gold etwa 700 Dollar je Feinunze. Spätestens 2012 werden es 8000 Dollar sein, glaubt Turk.

(SZ vom 10.09.2007)

Und hier noch der Leserkommentar zum Thema "goldgedeckte Währung":

2000 Bücher nutzen nichts, wenn man sie nur ins Regal stellt ...

James Turk möchte also die Goldwährung wieder einführen.
Das Ziel, das hierbei verfolgt wird, ist eine starre Geldmenge durch die Kopplung an den Goldvorrat der jeweiligen Notenbanken.
Die Realwirtschaft ist aber ein dynamischer Prozess: Allerorten wird ein möglichst hohes Wirtschaftswachstum propagiert.
Wirtschaftswachstum bedeutet letztlich nichts anderes, als das Bruttoinlandprodukt (BIP) der verschiedenen Volkwirtschaften zu steigern. Dies ist im heutigen, weltweit dominierenden Geldordnungs-System unbedingt lebensnotwendig, da nur so die exponentiell anwachsenden Kapitalkosten (Zinseszinseffekt, Akkumulation der Geldvermögen bzw. Schulden) gedeckt werden können, ohne daß die Realwirtschaft ausblutet.
Wenn sich das BIP einer Volkswirtschaft ausdehnen muß, so muß auch die Geldmenge (Banknoten, Münzen) ausgedehnt werden. Banknoten und Münzen übernehmen neben der Funktion als Tauch- und(!!) Hortungsmittel in unseren heutigen Volkswirtschaften zudem die Funktion des Wertmessers bzw. Berrechnungseinheit. Wenn nun die Menge der Banknoten und Münzen nicht mit der Menge der real produzierten Waren und Dienstleistungen mitwächst, so mündet dies unweigerlich in einer Geldverknappung (Folge: Deflation).
Theoretisch kann in einer Goldwährung nur dann die Geldmenge erhöht werden, wenn mehr Gold gefunden wird - oder dieses von anderen geraubt wird.

Einschub:
- Das römische Imperium konnte sich in der Geschichten nur solange behaupten und ausdehnen, solange neue Goldreserven gefunden bzw. geraubt wurden.
- Nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 erlebte das deutsche Reich einen Aufschwung, da nun zusätzliches Gold aus Frankreich eine Ausweitung der deutschen Währung (Goldmark) ermöglichte. Dies wurde nach der deutschen Niederlage 1918 "umgedreht".

Wenn das Wachstum des BIP halbwegs mit dem Wachstum der Kapitalkosten Schritt halten soll, so muß langfristig ein Wirtschaftswachstum von mindestens drei Prozent sichergestellt werden.
Da aber nicht zu erwarten ist, daß sich die globale Goldmenge durch Neufunde oder Alchemie in dieser Geschwindigkeit steigern läßt, so ist zu erwarten, daß Volkswirtschaften, welche Goldwährungen einführen langfristig in die Deflation abrutschen.
Fazit: Die Wiedereinführung des Goldstandarts führt also keineswegs zu einer krisenfreien Wirtschaft. Das Gegenteil ist der Fall.