Staatsanleihen vom Bund sind momentan sehr begehrt. Aus der FAZ:
Run auf Bundesschuld drückt Verzinsung unter Leitzins
11. September 2007
So viel Geld, wie er derzeit bekommen könnte, kann selbst Gerhard Schleif nicht annehmen. Und das will etwas heißen, denn der Leiter der Finanzagentur der Bundesrepublik Deutschland muss jeden Monat nahezu 20 Milliarden Euro auftreiben, um die Verbindlichkeiten seines Dienstherren in Berlin zu finanzieren. Die Aufgabe ist lösbar, weil Deutschland trotz der riesigen Verschuldung ein erstklassiges Rating und bei den Gläubigern immer noch einen sehr guten Ruf hat. Im Moment ist es wegen der Finanzkrise noch etwas einfacher als sonst.
„Viele Banken würden liebend gern ihr überschüssiges Geld bei uns über Nacht unterbringen“, berichtet Schleif. Doch er dürfe nur so viel annehmen, wie der Bund kurzfristig an Liquidität benötige. Die mit verfügbarem Geld gesegneten Banken sind deshalb so erpicht darauf, ihre Mittel beim Staat unterzubringen, weil sie sicher sein können, dass sie es zurückbekommen. In normalen Zeiten ist das auch bei Leihegeschäften mit anderen Banken eine Selbstverständlichkeit. Doch in der derzeitigen Finanzkrise ist der Handel zwischen den Banken gestört. Sie misstrauen sich und horten ihre liquiden Mittel. Das hat die Sätze für Tagesgeld und kurzfristige Leihegeschäfte unter den Banken in die Höhe getrieben. Um Geld für drei Monate zu erhalten, muss eine Bank als Kreditnehmer derzeit - aufs Jahr hochgerechnet - mehr als 4,7 Prozent bezahlen.
Die Finanzagentur zahlt weniger als den Leitzins
Schleif rechnet in anderen Dimensionen. Die jüngste Auktion für kurzfristige Bundestitel war so überlaufen, dass weniger als die Hälfte der Gebote erfüllt wurden. Die Investoren gaben ihr Geld schließlich für 3,99 Prozent Jahreszins bei einer Laufzeit von 6 Monaten. Die Finanzagentur hat sich knapp 6 Milliarden Euro verschafft und zahlt dafür weniger als den Leitzins, den die Europäische Zentralbank verlangt. Normalerweise liegen die Zinsen für mehrmonatige Anlagen klar über diesem Richtsatz.
Derzeit sind die Schuldtitel des Bundes bei den Investoren begehrt, weil sie ein großes Volumen haben und jederzeit liquide sind. Selbst für Pfandbriefe, die normalerweise ebenfalls als Hort der Sicherheit gelten, sind die Spannen zwischen An- und Verkaufskursen stark gestiegen. Das gilt erst recht für weniger sichere Wertpapiere wie Kreditverbriefungen oder Unternehmensanleihen. Wer also derzeit gezwungen ist zu handeln, verliert viel Geld allein durch die hohen Abstände zwischen An- und Verkaufskursen, die bei weniger liquiden Titeln mehrere Prozent des Nennwerts betragen können.
Langfristige Finanzierungskonditionen verbessert
Bei Schulden des Bundes gibt es dieses Problem nicht. Deshalb hätten viele Versicherer und Fonds ihr Konzept angepasst, sagt Schleif. Sie halten sich einen Kern an erstklassigen liquiden Titeln. Darum gruppiert seien die riskanteren, weniger liquiden Anlagen, die sie nach Möglichkeit halten und bis zur Fälligkeit nicht mehr anfassen. Wenn zum Beispiel die durchschnittliche Laufzeit des Portfolios verändert oder Geld beschafft werden soll, werden nur die Titel aus dem erstklassigen Kern bewegt, um die Kosten gering zu halten.
Das veränderte Anlageverhalten hält die Nachfrage nach Bundesanleihen hoch, was die langfristigen Finanzierungskonditionen des Bundes verbessert. Die verringerten Erwartungen für das Wirtschaftswachstum und die Flucht der Anleger in Qualität haben zudem das langfristige Zinsniveau reduziert. Die Zinsen für neue zehnjährige Bundesanleihen haben sich vom Jahreshoch bei 4,7 auf 4,1 Prozent verringert. Die Zinsermäßigung wirkt sich zwar nur auf neue Anleihen aus. Aber schon bei einem Volumen von zum Beispiel 10 Milliarden Euro ist der Effekt nennenswert. Ein Zinsunterschied von 0,5 Prozentpunkten senkt die Belastung um immerhin 5 Millionen Euro im Jahr.
Andere Länder müssen deutlich mehr bieten
Auch im Vergleich zu anderen Staaten hat sich die relative Position des Bundes als Gläubiger verbessert. Jahrzehntelang war Deutschland die erste Adresse in Europa und zahlte deshalb die niedrigsten Zinsen. Seit Einführung des Euro hat sich dieser Vorteil gegenüber anderen Ländern der Währungsgemeinschaft kontinuierlich verringert und war zeitweise gegenüber Frankreich kaum mehr messbar.
Inzwischen müssen Frankreich und erst recht Länder wie Italien und Griechenland den Gläubigern wieder deutlich mehr bieten als der Bund. So betrug der Renditeabstand zwischen französischen und deutschen Anleihen im Juni, vor Beginn der Finanzkrise, nur etwa 4 Basispunkte.
Würden heute neue Anleihen auf den Markt kommen, müssten die Franzosen etwa 14 Basispunkte, also 0,14 Prozentpunkte, mehr Jahreszins bieten als die Deutschen. Bei italienischen Anleihen hat sich der Zinsabstand seit dem Frühjahr von 0,2 auf 0,37 Prozentpunkte ausgeweitet. Das klingt auf den ersten Blick nicht weltbewegend. Aber es geht um riesige Beträge. Italien hat mehr als 1.500 Milliarden Euro Staatsschulden. In Deutschland steht der Bund mit gut 900 Milliarden in der Kreide. Jedes Jahr muss etwa ein Fünftel neu finanziert werden.
Text: ruh. / F.A.Z., 12.09.2007, Nr. 212 / Seite 21