Sonntag, 4. November 2007

FAZ: "Sorgen um die Anleihenversicherer"

Die nächsten Probleme stehen offensichtlich in's Haus... Dieser Artikel enthält interessante Hintergrundinformationen zum Thema CDS (Credit Default Swaps) - und einige Theorien, warum zukünftig vermutlich noch weitere Abschreibungen von CDOs die Bilanzen der Banken belasten dürften.

Gefunden bei FAZ.net (Hervorhebungen von mir hinzugefügt):

Kreditkrise

Sorgen um die Anleihenversicherer

Von Matthew Goldstein

02. November 2007
Eine exotische Form der Anleihenversicherung könnte die nächste versteckte Bombe sein, die für Erschütterungen auf den internationalen Kreditmärkte sorgen könnte. Das bislang eher unbekannte Unternehmen ACA Capital könnte die Explosion auslösen.

Die Folgen der Kreditkrise an der Wall Street sind bereits verheerend. Am 30. Oktober trennte sich Merrill Lynch von seinem Vorstandsvorsitzenden Stanley O'Neal, nachdem die Investmentbank einen Verlust von 8,4 Milliarden Dollar erlitten hatte, der hauptsächlich auf durch riskante Wohnungsbaudarlehen besicherte Wertpapiere zurückzuführen war. Am selben Tag gab UBS einen Gewinnrückgang um 3,6 Milliarden Dollar bekannt. Der Citigroup, die bereits einen Verlust von 1,6 Milliarden Dollar hinnehmen musste, könnte eine neue Milliarden-Dollar-Katastrophe bevorstehen.

Billionen-Dollar-Sorgen
Derzeit breitet sich die Krise von der Wall Street - die zu Abschreibungen in Höhe von 35 Milliarden Dollar auf Subprime-Kredite und zu einem Wertverlust der Aktien im Volumen von über 220 Milliarden Dollar führte - auf einen weniger bekannten Bereich des Finanzmarktes aus: die Anleihenversicherer. Diese Unternehmen verkaufen an Banken und andere Großinvestoren Versicherungen für hypothekenbesicherte Anleihen und für die komplizierten Instrumente, die diese Anleihen enthalten, auch bekannt als Collateralized Debt Obligations (CDOs).

Diese Versicherungen sollen Investoren bei Ausfall der Wertpapiere absichern. Da sich die CDOs zu einem Billionen-Geschäft entwickelt haben, wurden Anleihenversicherungen (so genannte Kreditausfallswaps) zu einer lukrativen Einnahmequelle für Unternehmen wie American International Group, MBIA und Ambac Financial Group.

Nervosität und fallende Aktienkurse
Eine Reihe von Herabstufungen bei hypothekarisch gesicherten Anleihen und CDOs wirkt sich bereits auf die Gewinne der Versicherer aus. Bei ACA Capital, einem kleinen Unternehmen mit starkem CDO-Engagement, geht mittlerweile die Angst um. Das in New York ansässige Unternehmen mit einem Jahresumsatz von unter 500 Millionen Dollar verfügt lediglich über ein Eigenkapital von 326 Millionen Dollar. Es brüstet sich damit, Kapital im Umfang von einer Milliarde Dollar für potentielle Auszahlungen zu besitzen, sollten die vom Unternehmen versicherten CDOs ausfallen.

Derzeit hat das Unternehmen Absicherungen im Wert von etwa 16 Milliarden Dollar verkauft, wobei die meisten Versicherungen CDOs betreffen, die in den vergangenen Jahren ausgegeben wurden. Es handelt sich hierbei um besonders problematische Jahrgänge, da die Kreditvergabestandards in den Jahren 2006 und 2007 relativ locker gehandhabt wurden.

Besorgte ACA-Aktionäre trugen dazu bei, dass der Aktienkurs seit Jahresbeginn um 80 Prozent auf 3,46 Dollar absackte. „Die Sorge besteht darin, dass all diese Verluste auf sie zurückfallen und sie [angesichts der geringen Rücklagen] Schwierigkeiten haben werden, diese auszugleichen“ sagt Sean Egan von Egan-Jones Rating.

In einer E-Mail gibt ACA an, dass dessen „Finanzstärke und Kapitalausstattung so hoch sind wie nie zuvor. Dies wurde von Standard & Poor's festgestellt, als sie ACAs Bonitätsbewertung mit „A“ und einem stabilen Ausblick bekräftigten und bestätigten, dass ACA ausreichend Kapital besäße, um Verluste und einen höheren Kapitalaufwand durch unsere Engagements mit Subprime-Krediten zu verkraften.“

MBIA in Schwierigkeiten
Viele glauben jedoch, dass das Debakel mit den Subprime-Krediten noch einige negative Überraschungen bereithalten wird. „Man dachte, das Schlimmste sei bereits überstanden“, sagt Timothy M. Ghriskey von Solaris Asset Management. „Es besteht jedoch kein Zweifel, dass die Malaise noch eine ganze Weile anhalten wird.“

Im Zentrum der Schwierigkeiten steht MBIA, der weltgrößte Anleihenversicherer mit einem Umsatz von rund drei Milliarden Dollar. Ende Oktober gab das Unternehmen einen Verlust für das dritte Quartal in Höhe von 36,6 Millionen Dollar bekannt. MBIA machte die Rückstufung von CDOs und ähnlichen Wertpapieren dafür verantwortlich, dass sich das Unternehmen gezwungen sah, den Versicherungswert dieser Produkte zu reduzieren. MBIA wies darauf hin, dass der Wert dieser Vermögenswerte sich wieder erholen könnte.

Mittlerweile müssen MBIA und ihre Konkurrenten möglicherweise mehr Kapital bereitstellen, um potentielle Verluste aus CDOs zu decken oder eine Herabstufung ihrer eigenen Schuldtitel in Kauf nehmen. Am 29. Oktober verkündete die Rating-Agentur S&P, dass „neue Daten geprüft werden, um festzustellen, inwieweit die Anleihenversicherer einem weiteren Druck durch die Subprime-Krise standhalten können“, obwohl S&P derzeit noch keinen weiteren Kapitalbedarf sieht.

Andere sind da skeptischer. Nach Ansicht von Kathleen Shanley, Analystin beim Anleihen-Analysehaus Gimme Credit, wäre es möglich, dass MBIA aufgrund seiner Position als Versicherer „an vorderster Front der Kreditkrise“ eine Kapitalerhöhung durchführen müsse, um sein AAA-Rating aufrechtzuerhalten. Der Aktienkurs von MBIA ist seit Anfang September um 23 Prozent gefallen, wodurch die Kapitalbeschaffung für dieses Unternehmen kostspieliger werden könnte.

In einer E-Mail äußert sich MBIA, dass „es über eine gesunde Kapitalausstattung verfügt und nicht die Notwendigkeit sieht, eine Kapitalerhöhung durchzuführen. Das Unternehmen ist ferner überzeugt davon, dass es im Bedarfsfall in der Lage ist, Kapital zu beschaffen.“

Niedrige Renditen, schwierige Bewertungen
Es ist schwierig, das Ausmaß der Gefahr abzuschätzen. Anleihenversicherer argumentieren, dass der schlimmste Fall, nämlich massenhafte CDO-Ausfälle, die zu Versicherungsleistungen in Milliardenhöhe führen, angesichts der derzeit vorliegenden geringen Anzahl von Herabstufungen sehr unwahrscheinlich sei.

Die Versicherer weisen auch darauf hin, dass viele ihrer Versicherungspolicen eine Deckung für die am höchsten bewerteten Tranchen der CDOs vorsehen, deren Ausfall am wenigsten wahrscheinlich ist. Doch genau dies sind die CDO-Tranchen, die an der Wall Street für Nervosität sorgten. Viele Banken konnten die Wertpapiere nicht verkaufen, die niedrige Renditen abwerfen und schwer zu bewerten sind. Diese Situation führte bei Merrill Lynch zu den enormen Abschreibungen, als die Werte der Anlagen ins Bodenlose stürzten.

Versicherungsaspekte haben bei Merrill Lynch möglicherweise zu den enormen Verlusten beigetragen. AIG war einst einer der größten CDO-Versicherer, der Merrill Lynch, UBS und andere Banken mit Versicherungsschutz in Höhe von rund 79 Milliarden Dollar ausstattete. AIG gab das Geschäft jedoch 2005 auf, als die Kreditvergabestandards laxer wurden. Einem Kenner des Unternehmens zufolge gelangte Merrill zu diesem Zeitpunkt in Schwierigkeiten, Versicherungsschutz für die neuen CDOs in den Bilanzen zu erhalten. Angesichts eines mangelnden Versicherungsschutzes musste Merrill Lynch die Wertpapiere schweren Herzens im Wert herabsetzen. Merril lehnte einen Kommentar dazu ab.

Anfälligkeit von ACA
AIGs Rückzug gab ACA die Möglichkeit zur Ausweitung seines Versicherungsgeschäfts. Die Aussichten, dass dieser winzige Versicherer seine Versprechen nicht wird einhalten können, könnte eine ganze Reihe von Banken treffen - und für Unruhe sorgen. Banken, die von diesem Unternehmen Versicherungen erwarben, müssten das mit CDOs verbundene Risiko in ihren Bilanzen ausweisen, was weitere Abschreibungen nach sich ziehen würde.

ACA wird die Namen seine Kunden nicht preis geben, einer davon ist jedoch Bear Stearns, einer der größten Emittenten von CDOs, der in diesem Sommer den Kollaps von zwei seiner mit Subprime-Krediten zusammenhängenden Hedge-Fonds hinnehmen musste. Bear Stearns und ACA sind eng miteinander verbunden. 2004 investierte der Private-Equity-Zweig der Bank 105 Millionen Dollar in ACA, und Bear Stearns ist mit einem Aktienanteil von rund 27 Prozent nach wie vor der größte Aktionär dieses Unternehmens. Der Vorstandsvorsitzende von ACA, David E. King, ist zugleich Managing Director von Bear Stearns und Executive Vice-President der Private-Equity-Gruppe von Bear Stearns.

Aus einer von Bear Stearns im Rahmen aufsichtsbehördlicher Vorschriften einzureichenden Meldung geht hervor, dass ACA im März und im Mai „einen versicherten Kreditswap“ mit einer Tochtergesellschaft von Bear Stearns abgeschlossen hat. Die genaue Art des Geschäfts konnte nicht ermittelt werden. Einem Unternehmensinsider zufolge sei die von ACA für Bear Stearns bereitgestellte Versicherungsdeckung „minimal“. Das Ausmaß der aufkeimenden Besorgnis unter den Versicherungsnehmern hängt davon ab, inwieweit sich die Banken auf ACA verlassen haben.
Text: Business Week Online
Bildmaterial: FAZ.NET