Passend zum Artikel "Überschuldung: Jeder zehnte Erwachsene ist finanziell am Ende" noch ein ähnlicher Artikel zu diesem Thema aus der ftd.de:
So überschuldet sind die Deutschen
von Tobias Bayer (Frankfurt)
Flachbildfernseher, Handyverträge und Autos: 7,3 Millionen Deutsche sind überschuldet. Besonders prekär ist die Lage in Duisburg und Offenbach. Aber auch in einer Wirtschaftsmetropole wie Düsseldorf gibt es viele überschuldete Menschen. FTD-Online gibt einen Überblick über das Phänomen Überschuldung und seine Ursachen.
Am Freitag wurde er veröffentlicht: der Schuldenatlas von Creditreform. Der Bericht alarmiert: Die Überschuldung von Privatpersonen hat 2007 einen neuen Höchststand erreicht. Nicht nur in einzelnen Regionen, sondern bundesweit. Zwar liegt die Quote in den neuen Bundesländern immer noch höher, doch haben die Probleme im Westen im Vergleich stärker zugenommen. Der wirtschaftliche Aufschwung scheint den Trend nicht zu stoppen. FTD-Online beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.
Was bedeutet Überschuldung?
Überschuldung liegt vor, wenn ein Schuldner die Summe seiner fälligen Zahlungsverpflichtungen auch in absehbarer Zeit nicht begleichen kann und ihm weder Vermögen noch andere Kreditmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Anders formuliert: Die zu leistenden monatlichen Gesamtausgaben übersteigen die Einnahmen.
Wie hoch sind die Deutschen überschuldet?
Rund 7,3 Millionen Bewohner Deutschlands oder mehr als jeder zehnte Erwachsene gelten als überschuldet oder können ihre Rechnungen nicht geordnet begleichen. Das entspricht einer Schuldnerquote von 10,9 Prozent. Im vergangenen Jahr lag sie noch bei 10,7 Prozent, das heißt 150.000 Schuldner sind seit 2006 dazu gekommen.
Laut dem Statistischen Bundesamt liegt der durchschnittliche Schuldenbetrag bei 36.800 Euro, der Iff-Überschuldungsreport kommt dagegen auf einen Wert von 28.400 Euro. Überträgt man das auf alle überschuldeten Personen in Deutschland, liegt das gesamte Schuldenvolumen der Bundesrepublik für 2007 zwischen 208 Mrd. und 271 Mrd. Euro.
Was sind die Ursachen für Überschuldung?
Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Scheidung sind in mehr als der Hälfte der Fälle der Grund für die finanziellen Probleme. Nur bei 16 Prozent der Haushalte wird übermäßig konsumiert und der Haushalt unwirtschaftlich geführt. Ein zu geringes Einkommen, um die Ausgaben decken zu können, liegt nur in 9,4 Prozent der Fälle vor. Wegen Suchtproblemen sind nur 4,6 Prozent überschuldet.
In welchen Großstädten ist die Schuldenproblematik besonders akut?
Duisburg hält mit einer Schuldnerquote von 16,8 Prozent den negativen Spitzenplatz unter den Großstädten. Es folgen Berlin (15,3 Prozent) und Düsseldorf (14,8 Prozent). Aus Sicht der Experten von Creditreform ist das bemerkenswert, weil die Stadt seit einigen Monaten komplett schuldenfrei ist.
Großstädte bleiben dabei Brennpunkte. Die Experten von Creditreform führen das auf die Konsumangebote- und reize in Großstädte zurück "Die Versuchungen sind größer als in eher ländlichen Regionen", heißt es in dem Bericht.
Auf Ebene der 439 Kreise und kreisfreien Städte reicht die Spanne von 4,3 Prozent im bayerischen Eichstätt bis zu 20,9 Prozent in Offenbach am Main. In der hessischen Stadt bei Frankfurt hat sich die Lage klar verschärft. 2004 und 2006 wies Offenbach die zweithöchste Schuldnerquote aus. Zudem weisen fünf von sechs Teilräumen der Stadt Schuldnerquoten von zum Teil über 15 Prozent aus.
Welche Bundesländer schneiden besonders gut, welche besonders schlecht ab?
Die niedrigsten Schuldenquoten weisen die Bundesländer Bayern (7,8 Prozent) und Baden-Württemberg (8,1 Prozent) auf. Sachsen landet mit einer Schuldnerquote von 10 Prozent auf dem dritten Platz. Schlusslichter sind wie bereits im Vorjahr Bremen (15,5 Prozent), Berlin (15,3 Prozent) und Sachsen-Anhalt (13,7 Prozent).
Ist Überschuldung Männer- oder Frauensache?
Überschuldung ist überwiegend Männersache. Rund zwei Drittel aller Schuldner sind Männer, 34 Prozent sind Frauen. Erklärt wird das damit, dass der Mann in den meisten Haushalten zuständig für die Finanzen ist und für die Verbindlichkeiten gerade stehen muss. Allerdings holen die Frauen auf: Insbesondere in der Gruppe der 20- bis 29-jährigen Frauen ist ein überdurchschnittlicher Anstieg der Schuldnerquoten zu beobachten. Seit September 2004 hat sich der Anteil der Frauen insgesamt um 1,6 Prozentpunkte erhöht.
Wie alt sind die Überschuldeten?
Die Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen leidet am häufigsten unter finanziellen Engpässen. Die Gruppe der 20- bis 29-Jährigen hat aber in den vergangenen Jahren den Abstand klar verkürzt. Auffällig bleibt aber der wachsende Anteil der jüngsten Personengruppe unter 20. Eine große Gefahr für junge Erwachsene stellen Handyverträge dar - und das trotz Flatrate und Prepaid-Karten. Außerdem ist Überschuldung ein Generationsproblem. "So werden die negativen Erfahrungen einer Überschuldung und damit eine Tendenz zum Schuldenmachen von den Eltern generationsübergreifend an die Kinder weitergegeben", heißt es in dem Bericht.
Welche Rolle spielen die Banken?
Der Creditreform-Bericht kommt zu einem sehr kritischen Ergebnis: Die Kreditwirtschaft befinde sich irgendwo zwischen "Basisversorgung und Kreditwucher" und nutze den "finanziellen Analphabetismus" der Kundschaft aus.
Der verschärfte Wettbewerb zwischen den Banken hat zu einem Anstieg der Konsumentenkredite um 76 Prozent im Zeitraum zwischen 1990 und 2005 geführt. Begleitet wurde die großzügige Kreditvergabe mit einem deutlichen Anstieg der Werbeaufwendungen für Finanzdienstleistungen. So stieg das Werbevolumen zwischen 2001 und 2006 um rund 93 Prozent auf 675 Mio. Euro an. Creditreform fordert deshalb eine bessere Ausbildung in Sachen Finanzen.
FTD.de, 09.11.2007
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