Mittwoch, 21. November 2007

BüSo: "Anatomie eines Finanz-Tsunamies"

Gefunden bei bueso.de: ein wirklich interessanter Artikel über die Zusammenhänge zwischen "faulen" Immobilienkrediten und dem, was uns u.U. noch bevorsteht!

Anatomie eines Finanz-Tsunamis

In der Finanzpresse und in den Regierungserklärungen wird das Ausmaß der Hypothekenkrise heruntergespielt. Richard Freeman dokumentiert im folgenden Bericht, daß wir erst ganz am Anfang einer Konkurswelle stehen, die sich zu einem gigantischen Finanztsunami entwickeln wird.

In den Vereinigten Staaten ist eine Welle von Hypothekenkündigungen und Zwangsversteigerungen von Eigenheimen angelaufen, die verheerende Folgen hat. Familien landen auf der Straße, die Steuereinnahmen der Städte und Gemeinden brechen ein und dem ganzen Finanzsystem wird der Boden entzogen. Die Geschwindigkeit, mit der die Zwangsversteigerungen zunehmen, nimmt immer weiter zu. Dies betrifft längst nicht nur die minderwertigen Hypotheken, und das Problem ist auch nicht erst in den letzten Jahren entstanden. Es ist die Folge einer falschen Politik, die sich in den letzten Jahrzehnten in der Wirtschaft und Finanzwelt tief eingewurzelt hat und die sich mit keiner kurzfristigen, oberflächlichen Reform reparieren läßt.

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Tabelle 1 zeigt die Zunahme der Vollstreckungsanträge von 2005 bis 2007. Der Vollstreckungsantrag erfolgt gewöhnlich, wenn ein Schuldner länger als 90 Tage mit seinen Hypothekenraten im Rückstand ist. Kann er weiter nicht zahlen, fällt das Haus an die Bank oder wird versteigert. Wenn man die ersten acht Monate des Jahres hochrechnet, wird die Zahl der Haushalte, denen die Hypothek gekündigt wird, 2007 auf zwei Millionen steigen - eine soziale und wirtschaftliche Katastrophe, wie man sie lange nicht erlebt hat. (Dabei ist die Zahl noch konservativ geschätzt, angesichts der rapiden Zunahme könnten es sogar 2,25 Mio. Haushalte werden.)

Auch wenn nur Zahlen für drei Jahre vorliegen, sollte man insbesondere betrachten, wie sich dieser Trend in sich beschleunigt: Von 2005 bis 2006 stieg die Zahl der Vollstreckungsanträge um 43%, von 2006 bis 2007 wird sie um 67% steigen. Das ist in sich noch einmal eine Beschleunigung um 55% gegenüber dem Vorjahr, was zeigt, daß das wirtschaftliche Erdbeben an Stärke zunimmt.

Verschiedene Teile der USA sind dabei unterschiedlich schwer betroffen. Tabelle 2 zeigt, wie die Vollstreckungsanträge in wichtigen Bundesstaaten im ersten Halbjahr 2007 gegenüber dem ersten Halbjahr 2006 explosionsartig zugenommen haben. In Kalifornien betrug der Anstieg 232%, in New Hampshire hat sich die Zahl sogar verzwanzigfacht! In vielen dieser Staaten läuft derzeit eine intensive Kampagne für das von Lyndon LaRouche vorgeschlagene Gesetz zum Schutz der Eigenheimbesitzer und Banken (HBPA).

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US-Eigenheimblase ist 20 Billionen Dollar schwer


Der Tsunami der Hypothekenausfälle ist die letzte Phase der gigantischen Immobilienblase, die der damalige Notenbankchef Alan Greenspan 2001 bewußt geschaffen hat. Diese Blase platzt nun, und das blockiert Kreditmärkte in aller Welt - auch solche, die mit Immobilien kaum zu tun haben. Und der Eigenheimmarkt sprüht ständig neue Funken, die jederzeit eine Explosion des Finanzsystems zünden können.

Das gewaltige Ausmaß dieser von Greenspan geschaffenen Eigenheimblase sowie ihre vielfältigen Querverbindungen zu den Anleihen- und Derivatmärkten können erklären, warum sich diese Immobilien- und Geldmarktkrise nur mit dem Ansatz des HBPA beheben läßt. Betrachten wir kurz, wie diese Blase entstand.

Nachdem im März 2000 die IT-Blase mit dem Krach an der Technologiebörse NASDAQ geplatzt war, pumpte Alan Greenspan als Ersatz dafür ab Januar 2001 die Eigenheimblase auf. Dazu senkte er 13mal die Geldmarktrate der Fed (zu der die Banken über Nacht Geld ausleihen können), bis sie im August 2003 auf 1% fiel, den tiefsten Stand seit 40 Jahren. Damit sanken plangemäß auch die Hypothekenzinsen.

Mit dieser Strategie haben Greenspan und die Bankiers der Wall Street und der Londoner City den Sinn und Zweck eines Eigenheims völlig auf den Kopf gestellt. Eigentlich sollte ein Eigenheim ein erschwinglicher Wohnraum sein, ein Ort, wo produktive und kreative Menschen heranwachsen, wo Kinder aufgezogen und ausgebildet werden. Greenspan & Co. machten daraus eine „hochwertige Geldanlage“, deren Marktpreis mit der Ausweitung der Blase immer weiter stieg. Das diente einem doppelten Zweck: Erstens konnten die Banken dank der stark überhöhten Immobilienpreise hohe Hypotheken auf Häuser vergeben und dafür satte Vermittlungsgebühren und Zinseinnahmen kassieren.

Zweitens konnten die Hausbesitzer ihr Eigenheim quasi zum Geldautomaten machen, indem sie auf ihre überbewerteten Häuser Hypotheken aufnahmen und sie sich bar auszahlen ließen. 2005 ließen sich amerikanische Eigenheimbesitzer auf diese Weise 750 Mrd. $ auszahlen. Ein großer Teil davon floß in Konsumausgaben und stützte so die lahmende Volkswirtschaft.

Durch die niedrigen Zinsen ermöglichte es Greenspan den Banken, enorme Summen in den Eigenheimbereich zu pumpen. Betrachten wir Tabelle 2: Von 2000 bis 2001, als Greenspan seine neue Politik einführte, sieht man nur einen waagrechten Strich, also keinen Anstieg. Doch von 2000 bis 2006 verdoppelten Greenspan und die Banken den Umfang der Hypothekenkredite in Amerika von 5,13 Bio. $ auf 10,36 Bio. $.

In diesem ungewöhnlichen Umfeld entstanden auch alle möglichen exotischen Formen von Hypotheken: die minderwertigen „Subprime-Hypotheken“ (an bonitätsschwache Kunden), „Nurzins-Hypotheken“ (auf die man anfänglich nur Zinsen, keine Tilgung zahlt), Hypotheken mit „negativer Amortisierung“ (wo die ersten Raten nicht einmal die Zinsen abdecken) usw. Natürlich waren das Gauner, die solche Hypotheken an den Mann brachten, aber es wurde von ganz oben, von Greenspan und der Wall Street bewußt gefördert, um die Blase zu erhalten.

Das eigentlich entscheidende war jedoch, daß man aus dieser Hypothekenblase eine weitere riesige Blase schuf: die der hypothekenbesicherten Wertpapiere (Mortgage Backed Securities, MBS). Das lief so: Investmentbanken wie Lehman Brothers oder Hypothekeninstitute wie Fannie Mae kauften ein Bündel Hypotheken, sagen wir im Wert von 100 Mio.$, schnürten daraus Pakete von MBS-Wertpapieren und verkauften diese an Versicherungen, Hedgefonds, ausländische Zentralbanken, wohlhabende Individuen usw. Zins und Tilgung werden den Käufern der Anleihen aus den Ratenzahlungen der Haushalte auf ihre Hypotheken bezahlt.

Abbildung 1 zeigt das Wachstum der MBS zwischen 2000 und 2006 von 3,02 Bio. $ auf 6,17 Bio. $. Man beachte, daß den MBS zwar Hypotheken zugrunde liegen, sie aber eigenständige Wertpapiere mit eigener Zinsrate und Risikobewertung sind. Die MBS kommen also zu den Hypotheken hinzu.

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Aber das ging noch weiter. Die MBS - die eine höhere Rendite abwerfen als eine Regierungsanleihe vergleichbarer Laufzeit - werden in verschiedene Tranchen aufgeteilt (davon einige mit sehr hoher Rendite) und dienen dann als Grundlage für weitere spekulative Wertpapiere: besicherte Schuldscheine (Collateralized Debt Obligations, CDOs), kurzfristige Schuldscheine und bestimmte Formen von Kreditderivaten. Das Schneeballsystem wurde immer weiter vorangetrieben und setzte sich im Weltfinanzsystem fest - mit furchtbaren Konsequenzen. Zum Abschluß nur noch zwei Beispiele dafür.

Tatsächlich fangen die Zwangsvollstreckungen jetzt erst richtig an. Abbildung 2 zeigt, wieviel Hypotheken mit variablem Zinssatz in bestimmten Monaten teurer werden. Nach einer anfänglich niedrigen Zinsrate von 2-4,5% werden sie dann auf einen höheren Zins zwischen 5% und 8% umgestellt. Dadurch steigen die monatlichen Raten für die betroffenen Haushalte um 300, 600, 1000 oder gar 2000 Dollar, was viele in Zahlungsunfähigkeit und Zwangsvollstreckung treiben wird. Der Höhepunkt dieser Zinserhöhungen wird erst zwischen Januar und Juli 2008 erreicht.

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Dies wird dadurch verschärft, daß die Eigenheimpreise sinken, was unvermeidlich ist, weil die künstlich überhöhten Preise irgendwann zurückgeschraubt werden müssen. Der „Schiller-Case-Index“ des Immobilienwerts in 20 US-Ballungsräumen zeigt, daß die Preise im Schnitt bereits um 3,4% gegenüber ihrem Höchststand gefallen sind. Dieser Trend wird sich verstärken. Eine Studie von First American Core Logic vom März 2007 kam zu dem Schluß: Wenn der durchschnittliche Eigenheimpreis um 10% fällt, werden ein Viertel der 2005 vergebenen Hypotheken und sogar 39% der 2006 vergebenen Hypotheken „kippen“ - d.h., die Haushalte haben dann mehr Schulden, als ihr Haus wert ist. Das ist ein entscheidender Punkt, wo es oft zur Zwangsvollstreckung nicht nur von „minderwertigen“, sondern auch von „vollwertigen“ Hypotheken kommt.

Vergessen wir dabei nicht, daß Schulden, die mit Hypotheken zusammenhängen, die Hälfte aller Bestände im amerikanischen Bankenwesen ausmachen!

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All das wird gewaltige Auswirkungen haben. Am Ende des zweiten Quartals 2007 lag die Gesamtsumme der Hypothekenschulden für Ein- bis Vierfamilienhäuser bei 10,75 Bio. $ und der MBS bei 6,54 Bio. $, also zusammen 17,29 Bio. $. Rechnet man die anderen, nicht mit MBS verbundenen Schulden und Derivate hinzu, die die großen Hypothekenhändler Fannie Mae und Freddie Mac halten, kommt man insgesamt auf etwa 20 Bio. $. Wenn nur ein Zwanzigstel davon in einer Kettenreaktion infolge geplatzter Hypotheken ausfällt, reicht das bereits aus, um das ganze amerikanische Bankensystem zum Einsturz zu bringen.

Aber die Gefahr ist noch viel größer. Greenspan hat die Hypothekenblase und ihre Ableger mit zahlreichen wichtigen Punkten im Weltfinanzsystems untrennbar verbunden. So hat der Ausfall der durch MBS gedeckten Geldmarktpapiere („ABC-Papiere“) einen großen Teil des 1,9-Bio.$-Markts der kurzfristigen Handelspapiere zum Stillstand gebracht. Der Ausfall der mit MBS verbundenen Kreditderivate könnte den 34-Bio.$-Markt der Kreditderivate zum Einsturz bringen, und dies wiederum würde den mehr als 750 Bio. $ schweren weltweiten Derivatmarkt ruinieren. Kurz: Das gesamte Weltfinanzsystem würde sich in heiße Luft auflösen.

Schon jetzt sorgt die Hypotheken- und MBS-Krise für Einbrüche in Teilen des bankrotten Weltfinanzsystems, die mit Hypotheken wenig oder nichts zu tun haben.

Verluste der Banken

In den Geschäftsberichten der großen internationalen Finanzinstitute zum dritten Quartal, die in den letzten beiden Wochen vorgelegt wurden, stößt man ständig auf Abschreibungen und/oder Verluste aus minderwertigen Hypotheken, MBS, geplatzte Firmenübernahmen etc. Am 2. Oktober gab die Citigroup, die größte Bank Amerikas, Abschreibungen in Höhe von 5,9 Mrd. $ bekannt. Am selben Tag meldete die UBS, die größte Bank Kontinentaleuropas, Wertberichtigungen in Höhe von 3,4 Mrd. $. Am 5. Oktober folgte Merrill Lynch mit 5,5 Mrd. $ - usw.

Man kann davon ausgehen, daß die meisten Berichte solcher Banken stark geschönt sind; die tatsächlichen Wertberichtigungen dürften zwei- oder dreimal so hoch sein wie gemeldet. Was werden sie sich für das vierte Quartal einfallen lassen?

Unterdessen vergab eine Gruppe von 40 Finanzinstituten, meist Geschäftsbanken, auf Drängen der Federal Reserve einen Notkredit über 23,5 Mrd. $ an Countrywide, die bis vor kurzem größten Hypothekenbank Amerikas, die heute nur noch ein Wrack ist. Keine dieser Banken hätte Countrywide auch nur einen Cent geliehen, wenn man ihnen nicht eingeschärft hätte, daß das Schicksal des Weltfinanzsystems von diesem Kredit abhängt. Das gleiche gilt für den hyperinflationären 20 Mrd. Pfund-Kredit der Bank von England an die größte britische Hypothekenbank, Northern Rock.

Den Rahmen von all dem bildet die inflationäre Politik von Federal Reserve, Bank von England und der Europäischen Zentralbank, die im Sommer die Druckerpresse angeworfen und seither offiziell 750 Mrd. $ in das weltweite Bankensystem gepumpt haben, um seinen Zusammenbruch zu verhindern. Diese „Rettungsaktionen“ führen zu einer Hyperinflation wie in der Weimarer Republik, nur diesmal weltweit. Eine Lösung ist das natürlich nicht - die bietet nur der Ansatz in LaRouches Gesetzentwurf: ein Moratorium auf Zwangsvollstreckungen, Umschuldung und Vergabe neuer Kredite zu produktiven Zwecken.