Dienstag, 27. November 2007

Sueddeutsche: "Die Angst des Bankiers vor Silvester"

Gefunden bei sueddeutsche.de (Hervorhebungen von mir hinzugefügt):

Die Angst des Bankiers vor Silvester

Finanzinstitute ringen in der Kreditkrise um Vertrauen - doch am Geldmarkt steigt das Fieber. Die britische Großbank HSBC steigerte die Nervosität unfreiwillig.
Von Martin Hesse

Eigentlich sollte das Signal die Märkte beruhigen: Die britische Großbank HSBC erklärte am Montag als eines der ersten Finanzinstitute, wie sie ihre Zweckgesellschaften für Investitionen in verbriefte Kredite sanieren will. Doch der Bankenmarkt kommt nicht zur Ruhe.

Der HSBC-Kurs und andere Bankaktien kamen am Montag unter Druck. Abzulesen ist die Nervosität aber vor allem am Geldmarkt, wo sich Banken kurzfristig refinanzieren. Besonders auf das Jahresende blicken die Banker voller Angst. "Wer sich schon heute für den Stichtag 31. 12. mit Geld eindecken will, muss rechnerisch Zinsen von 13 bis 14 Prozent zahlen", sagt ein Geldmarkthändler einer deutschen Großbank.

Zwischen der Ankündigung von HSBC und der Nervosität am Geldmarkt besteht ein Zusammenhang. Seit im Sommer die Krise am amerikanischen Hypothekenmarkt eskalierte, fürchten Investoren hohe Verluste bei Anlagevehikeln (sogenannte SIV oder Conduits), über die Banken außerhalb der Bilanz in verbriefte Kredite investieren, oft in zweitklassige amerikanische Hypotheken.

Weil Investoren hohe Ausfälle bei den Conduits befürchten, haben diese jetzt Probleme, sich kurzfristig am Geldmarkt zu refinanzieren, wie bislang üblich. Die deutschen Banken IKB und SachsenLB gerieten deshalb in eine Schieflage. Die amerikanischen Institute Citigroup, Bank of America und J.P. Morgan Chase arbeiten an einem übergreifenden Rettungsfonds, um ihre Probleme in den Griff zu bekommen, finden aber bislang wenig Unterstützung von anderen Banken.

Dagegen will HSBC nun ihre 45 Milliarden Dollar schweren SIV auf die eigene Bilanz nehmen und macht hohe Finanzierungszusagen. Die Bank will so verhindern, dass die Zweckgesellschaften Papiere unter Wert verkaufen müssen, weil sie kurzfristig Geld brauchen.

Hohe Abschreibungen erwartet
Seit Ausbruch der Krise stießen Zweckgesellschaften aus Geldnot Papiere im Wert von gut 75 Milliarden Dollar ab. "Das ist ein positiver Schritt", sagt Gordon Scott, Analyst bei der Ratingagentur Fitch zu der Ankündigung von HSBC. Doch helfe er vor allem, das Liquiditätsproblem zu lösen. Dagegen sei die Unsicherheit an den Märkten nach wie vor groß, wie hoch die Ausfälle und nötigen Abschreibungen bei Zweckgesellschaften seien.

Goldman Sachs erwartet allein bei HSBC weitere Abschreibungen in Höhe von zwölf Milliarden Dollar. Das ist auch der Grund für die Spannungen am Geldmarkt: Nachdem sich die Situation Ende September etwas entspannt hatte, sprechen Experten jetzt von einer zweiten Welle der Angst.

Investoren sind nur noch bereit, SIV zu finanzieren, deren Wertpapiere sie kennen, selbst bewerten können und als sicher ansehen, sagt Scott. Für viele Vehikel gilt das nicht. Deshalb dürften noch mehr Banken die verbrieften Kredite auf die eigene Bilanz nehmen und brauchen dafür Geld.

Zum Teil decken sich die Institute aus Angst vor Knappheit zum Jahresende schon jetzt ein. Um Druck aus dem Markt zu nehmen, kündigte die Europäische Zentralbank am Montag an, sie werde zusätzliche Liquidität zur Verfügung stellen. "Die kurzfristigen Sätze haben sich danach beruhigt", sagte ein Händler. Jedoch werde so das Vertrauen der Banken untereinander nicht wiederhergestellt.

Entspannen dürfte sich der Markt, wenn Banken ihre langfristigen Anlagen in den Zweckgesellschaften auch langfristig finanzieren, statt wie bisher nur für jeweils wenige Monate oder Tage. "Doch das macht bislang kaum eine Bank, weil niemand sich langfristig an die hohen Zinsen binden möchte, die derzeit zu zahlen sind", sagt ein Geldmarkthändler. Noch immer hoffen die Banken, dass der Sturm bald vorüberzieht.