Donnerstag, 8. November 2007

Immobilienkrise: Beispiel aus den USA

Ein konkretes Beispiel zum Foreclosure in den USA - ausgelöst durch die Immobilienkrise - gefunden bei der ftd.de:

Verspekuliert und zwangsgeräumt
von Richard Haimann
Im Amerika der Immobilienkrise sind Zwangsversteigerungen an der Tagesordnung. Neben Eigenheimkäufern niedriger Bonität leiden unter den Folgen der geplatzten Kredit- und Spekulationsblase am US-Wohnimmobilienmarkt mittlerweile auch Vermieter.

Seit Juli hat Karina Rosales nicht mehr in der Küche ihres Dreizimmerapartments in Minneapolis gekocht. Zum Duschen gehen sie und ihre zwei Kinder jeden Tag in das vier Straßenblöcke entfernte YMCA. Abends erhellt Kerzengeflacker die Zimmer. Strom und Wasser sind abgeschaltet. Denn der Eigentümer ihrer Wohnung hat die Zahlungen an die Versorgungswerke gestoppt.

Er hat stattdessen die gesamte Miete verwendet, um die steigenden Zinsforderungen aus dem Hypothekenkredit für das Apartment zu bedienen. Dennoch umsonst. Die Bank hat das Darlehen gekündigt. Die Zwangsversteigerung steht an.

Karina Rosales klagt jetzt vor dem für den Mieterrechtsschutz zuständigen Housing Court. Eigentlich ein Selbstgänger. Die Richter untersagen in diesen Fällen für bis zu ein Jahr die Zwangsausweisung aus der Wohnung, weisen die Versorgungsunternehmen an, Strom und Wasser zu liefern und die Kosten direkt mit den Mietern abzurechnen. Den Antrag hatte die Mutter noch im Juli gestellt.

Vermieter vor der Insolvenz, Mieter im Dunkeln
Im Amerika der Immobilienkrise ist die Familie Rosales kein Einzelfall: 800 derartige Verfahren türmen sich derzeit allein auf seinem Tisch, sagt Housing-Court-Richter Mark Labine. "2005 gab es in ganz Minneapolis nur 400 solcher Fälle." Längst haben nicht nur Eigenheimkäufer niedriger Bonität unter den Folgen der geplatzten Kredit- und Spekulationsblase am US-Wohnimmobilienmarkt zu leiden.

Auch immer mehr Vermieter, die Eigentumswohnungen und Häuser ohne Eigenkapital erworben haben, stehen reihenweise vor der Insolvenz - und ihre Mieter im Dunkeln. Allein in Kalifornien wurden im August 9477 Eigenheime und Apartments zwangsversteigert - ein Plus von zehn Prozent gegenüber Juli. Vermietet waren 4199 dieser Objekte, rund 44,3 Prozent.

Spricht der neue Eigentümer die Kündigung aus oder hebt er die Miete drastisch an, müssen sich die Bewohner früher oder später eine neue Bleibe suchen. Damit geraten sie in Konkurrenz zu jenen Eigenheimbesitzern, deren Häuser ebenfalls unter den Hammer kamen, weil sie ihre Kredite nicht mehr bedienen konnten.

Lockvogelkredite: Die Wurzel des Übels
"Über Nacht ist aus einem Eigentümer- ein Vermietermarkt geworden", sagt der Wirtschaftsanwalt Richard Kuck in Coeur d'Alene, Idaho. In dem Touristenstädtchen am malerischen Lake Coeur d'Alene am Rande der Rocky Mountains ist die Zahl der Eigenheimtransaktionen seit 2005 um 50 Prozent gefallen, berichtet Mike McNamara von Windermere Coeur d'Alene Realty.

Zahlreiche Projektentwickler sind in Konkurs gegangen, weil sie ihre spekulativ errichteten Häuser nicht mehr losschlagen konnten. Nicht anders ist die Lage in anderen kleinen Städten - von Tampa im Südosten bis Seattle im Nordwesten. Die Wurzel des Übels sieht Kuck in den "Lockvogelkrediten" - Hypothekendarlehen, bei denen in den ersten beiden Jahren die Zinssätze minimal sind, dafür aber später kräftig anziehen.

Selbst Käufer mit niedriger Bonität (Subprime) konnten so vorübergehend zum eigenen Heim gelangen - und die Banken ihren Umsatz kräftig steigern. Ihr Risiko war minimal. Sie verbrieften einfach die Darlehen und verkauften sie über die Kapitalmärkte an andere Investoren weiter, bevor die heftigen Zinssteigerungen die Immobilienkäufer aus der Bahn warfen.

Verspekuliert hatten sich mit diesen Subprime-Produkten auch die IKB Deutsche Industriebank und die Sachsen LB. Für die IKB musste die deutsche Finanzwirtschaft ein milliardenschweres Rettungspaket schnüren, der Freistaat Sachsen seine Landesbank an die LBBW abtreten.

Der US-Maklerverband National Association of Realtors (NAR) hatte lange versucht, die Spekulationsblase am US-Eigenheimmarkt als Hirngespinst abzutun.

Noch im Mai, als die Kreditausfälle bereits die ersten Hypothekenbanken in die Insolvenz zwangen und die Preise auf breiter Front einbrachen, weil Käufer keine Darlehen mehr erhielten, versuchte NAR-Präsident Pat V. Combs, den Markt schönzureden: "Wir haben das Schlimmste der Preiskorrektur hinter uns."

Makler sehen Politik in der Pflicht
Inzwischen ist der Zweckoptimismus purer Panik gewichen. Mitte September forderte Combs den Kongress auf, zahlungsunfähigen Hypothekendarlehensnehmern zu Hilfe zu eilen. Die Politik habe die Pflicht, "Familien vor dem Albtraum zu bewahren, ihr Heim zu verlieren".

Auf seiner Internetseite fordert der Verband Reformen für eine "verantwortungsbewusste" Kreditvergabepraxis. "Dabei sind die Makler nicht unschuldig an der Krise", sagt Paul Leonard, Direktor der Verbraucherschutzorganisation Center for Responsible Lending.

Die meisten Vermittler waren gleichzeitig als Immobilienbewerter für die Banken tätig. Die Höhe ihrer Provision richtete sich nach dem Umfang der Kreditsumme. Entsprechend üppig wurden die Immobilienwerte nach oben geschrieben, so Leonard. "Ohne die Überbewertungen hätte die Spekulationsblase nie diese Ausmaße angenommen."

Krise trifft weitere Branchen
Längst geht es nicht mehr nur um die Immobilienmärkte. Nach einer neuen Studie von CSM Worldwide werden dieses Jahr nur rund 16,2 Millionen Neuwagen in den USA abgesetzt - 350.000 weniger als 2006.

Auch Volkswagen spürt die Krise: Im August lag der US-Absatz der Wolfsburger mit 21.655 Fahrzeugen um 7,5 Prozent unter der Vorjahreszahl. CNW Research fand in einer Umfrage heraus, dass die Amerikaner wegen der gestiegenen Hypothekenraten auf Neuwagen verzichten. Da bleibt kein Spielraum für neue Kredite.

Selbst Luxusgüterproduzenten bleiben nicht verschont: Brunswick Corp., Hersteller der schnittigen Sea-Ray-Jachten, verzeichnete im zweiten Quartal einen Gewinneinbruch von 29 Prozent. Weil viele Eigenheimdarlehen in den USA mit variablen Zinsen versehen sind, hält sich selbst der obere Mittelstand mit Luxuskäufen zurück.