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07.11.2007 19:58 Uhr
Finanzkrise
Es klemmt nicht
Weil die Auftragsbücher voll sind und die Banken sich um Kunden reißen, bleiben mittelständische Unternehmen von der Kreditkrise bislang unberührt
Von Martin Hesse
Als Ende Juli ein Zusammenbruch der Mittelstandsbank IKB drohte, machte an den Finanzmärkten rasch eine Frage die Runde: Droht in Deutschland eine Kreditklemme? Wenn Banken den Unternehmen Geld verwehren, kann das für die Firmen und die gesamte Wirtschaft dramatische Folgen haben. Fehlt das Geld, um Investitionen oder gar das laufende Geschäft zu finanzieren, droht eine Rezession? Was also lag näher als die Befürchtung, aus der Bankenkrise, die als Hypothekenkrise in den Vereinigten Staaten begann, könne eine Gefahr für den deutschen Mittelstand werden.
Gut drei Monate später haben sich die Sorgen gelegt. Zwar kommen aus den Banken, vor allem in den USA, im Wochentakt neue Hiobsbotschaften über Milliardenabschreibungen. Doch die Unternehmen in Deutschland - zu 95 Prozent sind das mittelständische Firmen - lässt das Thema fast schon erstaunlich kalt.
"Der Mittelstand wird derzeit von den Banken gut unterstützt", sagt Hans-Joachim Reinhardt, Geschäftsführer der IHK Frankfurt. Es gebe keine Kreditklemme, die auf die Krise am Markt für zweitklassige amerikanische Immobilienkredite (Subprime-Darlehen) zurückzuführen ist. "Wir haben von unseren Mitgliedern keine Informationen, dass Mittelständler Finanzierungsfragen jetzt anders betrachten", bestätigt Klaus Evard, Vorstand der Mittelstandsorganisation TEC Deutschland und Gründer der European Business School.
Institut des Mittelstands
Selbstverständlich ist das nicht, traf doch die Kreditkrise ausgerechnet die IKB Bank am härtesten. "Die IKB galt als das Institut, mit dem sich der Mittelstand identifiziert", heißt es in Bankenkreisen. "Es ist klar, dass die Kunden angesichts der Probleme mit Subprime-Krediten verunsichert sind." Doch schlössen Kunden deshalb nicht gleich ihre Konten. Die Firmen würden vorsichtiger und stellten sich bei der Kreditversorgung auf mehrere Beine. Die IKB bestätigt im Kern, was die Konkurrenz beobachtet. "Wir haben bislang ein positives Stimmungsbild bei unseren Kunden, sie stehen zu uns", sagt ein Sprecher der Bank. Schwieriger sei es allerdings derzeit für die Bank, Neukunden zu gewinnen.
Neue Kunden im Mittelstand gewinnen - das ist allerdings, was fast alle Banken in Deutschland derzeit wollen. Und der intensive Wettbewerb zwischen in- und ausländischen Banken sowie Sparkassen und Genossenschaftsbanken ist ein Grund, weshalb die Kreditkrise nicht auf die Firmenkunden in Deutschland durchschlägt. "Als Bank kann man nicht sagen, ich greife im Mittelstand an, und sich dann in so einer Situation eingraben", sagt Detlef Hermann, Leiter des Firmenkundengeschäfts bei der Dresdner Bank. Sein Institut habe bis in den Spätsommer hinein 800 Millionen Euro an neuen Krediten an den Mittelstand ausgereicht - ein Großteil davon über spezielle neue Angebote.
Ähnlich verhalten sich offenbar die meisten Banken: Sie weiten ihr Kreditangebot eher aus, an den Konditionen und Preisen ändert sich derweil wenig. "Es gibt keine Veränderungen bei den Auflagen für die Kreditvergabe", sagt Hermann. Auch stiegen die Margen, also die bei der Kreditvergabe verlangten Zinsen, in Deutschland bisher nicht. Martin Blessing, Vorstand Firmenkunden und künftiger Chef der Commerzbank, hatte Anfang Oktober ebenfalls erklärt, sein Haus habe seine Standards für die Kreditvergabe nicht verändert. Allerdings sieht er in einigen Bereichen einen leichten Anstieg der Risikoaufschläge auf die Zinsen bei der Kreditvergabe.
Komfortable Situation
Damit ergeht es deutschen Firmen besser als Unternehmen im europäischen Ausland: Die jüngsten Umfragen der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Bundesbank ergaben im Oktober, dass Banken im Euroraum die Kreditvergabestandards im dritten Quartal spürbar gestrafft hätten, in Deutschland dagegen kaum, vor allem nicht im Geschäft mit kleineren und mittleren Unternehmen - also dem klassischen Mittelstand. Beide Notenbanken erwarten, dass sich der Trend im vierten Quartal fortsetzt und Banken vor allem bei der Kreditvergabe an Großkonzerne, etwa für Übernahmen, vorsichtiger werden.
Nicht nur das Angebot, auch die Kreditnachfrage hat in Deutschland seit Ausbruch der Hypothekenkrise eher noch zugenommen. Die Auftragsbücher seien voll, Unternehmen hätten eher Probleme, geeignete Mitarbeiter zu finden als Kreditgeber, beobachtet TEC-Vorstand Evard. Dresdner-Bank-Manager Hermann sieht noch ein anderes Phänomen. "Es gibt Firmen, die sich jetzt zusätzlich mit Liquidität versorgen, um einer möglichen Kreditknappheit in der Zukunft vorzubeugen." Die Dresdner Bank habe darauf mit zusätzlichen Angeboten reagiert.
Thomas Duhnkrack, Vorstand für das Mittelstandsgeschäft bei der DZ Bank sieht in der Kreditkrise in erster Linie eine Vertrauens- und Liquiditätsverteilungskrise unter den Banken. Deshalb seien die Auswirkungen auf den Mittelstand so gering. Dass das Problem bislang auf die Finanzwirtschaft isoliert blieb, liegt laut IHK-Geschäftsführer Reinhardt auch an der Reaktion der Notenbanken in den USA und Europa. Außerdem lobt er das Krisenmanagement von Regierung, KfW und Banken im Falle der IKB. "Sie haben mit der Rettungsaktion dazu beigetragen, dass die Probleme der Banken gar nicht erst zu den Kunden kommen."
Die komfortable Situation deutscher Unternehmen hat noch einen anderen Grund: Im Zuge der Hypothekenkrise war vor allem der Verbriefungsmarkt zusammengebrochen, das heißt, Kredite können zur Zeit schlechter neu verpackt und an den Kapitalmarkt weitergereicht werden. Der deutsche Mittelstand ist von diesem Problem aber praktisch nicht berührt, weil Verbriefungen dort eine untergeordnete Rolle spielen. Firmenkredite im Mittelstand zu verbriefen, sei aus mehreren Gründen schwierig, erläutert Hermann. Zum einen seien die Kredite nicht ausreichend standardisiert. "Zum anderen sträubt sich die Mehrzahl der Unternehmen dagegen, dass ihre Kredite weitergereicht werden."
(SZ vom 8.11.2007/mah)
