Dienstag, 27. November 2007

Inflation: ... treibt Banker in die Zwickmühle

Gefunden bei spiegel.de:

VERBRAUCHERPREISE
Rekord-Inflation treibt Banker in die Zwickmühle

Von Anselm Waldermann

Preisschock für Deutschlands Verbraucher: Zum ersten Mal seit 13 Jahren springt die Inflationsrate auf drei Prozent. Die Unternehmen fürchten teure Lohnrunden. Die Europäische Zentralbank steckt in der Bredouille: Soll sie die Zinsen erhöhen - und damit einen Wachstumsdämpfer riskieren?

Hamburg - Brot, Butter, Benzin: Für die Verbraucher war das Leben in Deutschland noch nie so teuer wie in diesem November. Im Vergleich zum Vorjahresmonat hat das Statistische Bundesamt einen Preisanstieg um 3,0 Prozent errechnet - so viel wie seit 13 Jahren nicht mehr. Heizöl verteuerte sich in manchen Bundesländern um rund 25 Prozent, Butter sogar um fast die Hälfte (mehr...).

Was die Bürger tagtäglich beim Einkaufen ärgert, bereitet nun auch Ökonomen Sorgen. Schließlich ist eine hohe Inflation Gift für das langfristige Wirtschaftswachstum: Private Geldvermögen werden entwertet, und die Unternehmen können ihre eigenen Einnahmen und Ausgaben nur schwer kalkulieren.

Das größte Problem könnte erst noch bevorstehen: die Tarifrunden im kommenden Jahr. Denn je höher die Inflation, desto dringender benötigen die Arbeitnehmer Lohnsteigerungen - sonst sinken ihre Realeinkommen.

"Die Gewerkschaften rechnen in ihre Lohnforderung immer die Inflation mit ein", sagt Rolf Kroker vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zu SPIEGEL ONLINE. Mit anderen Worten: Sollte die Teuerung auf dem aktuellen Niveau verharren, stehen 2008 mindestens drei Prozent plus x an - um wenigstens den Kaufkraftverlust auszugleichen.

STROM, BENZIN, BUTTER: INFLATION IN DEUTSCHLAND



Den Unternehmen graut jetzt schon vor dieser Entwicklung. Schließlich treiben stark steigende Löhne ihrerseits die Preise - Ökonomen sprechen von "Zweitrundeneffekten". Das Ergebnis wäre eine Preis-Lohn-Spirale, die das ohnehin schwächelnde Wachstum gänzlich abwürgen könnte.

"Den Unternehmen droht eine doppelte Belastung", sagt Kroker. "Auf der einen Seite werden Öl und andere Rohstoffe immer teurer. Auf der anderen Seite könnten die Gewerkschaften übermäßig viel Lohn verlangen."

Prekär ist die Lage auch für die Europäische Zentralbank. Eigentlich sieht sie die Preisstabilität schon ab einer Inflation von zwei Prozent gefährdet. So gesehen müssten die Zentralbanker jetzt eingreifen - das klassische Mittel dafür wäre eine Zinserhöhung. Andererseits stellen steigende Zinsen immer auch eine Belastung für die Wirtschaft dar: Teure Kredite nehmen den Unternehmen die Lust am Investieren.


Besonders knifflig wird die Lage durch die aktuelle Kreditkrise. Seit dem Zusammenbruch des amerikanischen Hypothekenmarkts verleihen sich die Banken untereinander nur sehr ungern Geld, weil keiner mehr dem anderen traut. Die US-Notenbank hat deshalb die Leitzinsen im Dollar-Raum gesenkt, um wenigstens etwas Schwung in den Markt zu bekommen.

Bisher gingen Beobachter davon aus, dass die Europäische Zentralbank diesen Kurs stützt - zumindest insofern, als sie die eigenen Zinsen nicht weiter erhöht, sondern bei 4,0 Prozent stabil hält. Bei einer Inflation von drei Prozent im wichtigsten Euro-Land Deutschland sieht die Lage allerdings anders aus. Doch egal, wie sich die Banker entscheiden - es könnte falsch sein. "Für die EZB ist es ein extrem schwieriges Umfeld", sagt IW-Mann Kroker.

Ökonomen warnen vor Panik
Immerhin sieht der Ökonom noch keinen dringenden Handlungsbedarf. Schließlich ist die hohe Inflation in Deutschland auch auf Einmaleffekte wie die Mehrwertsteuererhöhung im Januar und den Ölpreis zurückzuführen. "Auf Dauer ist eine Inflation von drei Prozent definitiv zu hoch", sagt Kroker. "Aktuell gilt dies aber nur für den Monat November. Für das Gesamtjahr ist eher ein Wert von knapp über zwei Prozent zu erwarten." Die EZB müsse deshalb nicht sofort mit einer Zinserhöhung reagieren. "Wenn die Gewerkschaften aber die Löhne hoch treiben, sieht es anders aus", sagt Kroker.

Auch andere Ökonomen warnen vor Panik. "Die jetzige Inflationsrate sieht grausiger aus, als sie ist", sagt Andreas Scheuerle von der DekaBank. So werde die höhere Mehrwertsteuer im kommenden Jahr nicht mehr so stark ins Gewicht fallen. In diesem Jahr macht sie rund einen Prozentpunkt der Inflation aus. Die meisten Volkswirte gehen davon aus, dass die Teuerungsrate 2008 wieder unter die kritische Marke von zwei Prozent sinken wird.

Die Experten der Commerzbank betonen sogar, dass die Kernteuerungsrate - also ohne Energie und Nahrungsmittel - "in der Tendenz leicht nach unten" zeigt. Die hohe Gesamtinflation sei "eine Verkettung unglücklicher Umstände", sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. "Gleichwohl haben die 3,0 Prozent eine psychologische Wirkung, da gibt es nichts kleinzureden."

Entscheidend ist ohnehin die "gefühlte Inflation", und die wird von Verbrauchern in der Regel doppelt so hoch geschätzt wie die tatsächliche. Beim Einkaufen haben sie ständig das Gefühl, ihnen fließe das Geld nur so weg. Das schmälert die Kaufkraft, sagt Krämer. Und das dämpft den Konsum - ganz real.

Mit Material von AP/AFP/dpa