Donnerstag, 8. November 2007

FTD: "Inflation und der Preis des Realkapitals"

Gefunden bei ftd.de (Hervorhebungen von mir hinzugefügt):


Inflation und der Preis des Realkapitals
Im Unterschied zur Situation Anfang der 70er Jahre könnten wir es diesmal mit einer ausgewachsenen Schuldendeflation zu tun bekommen. Die Rentenanleger scheinen schon auf dieses Szenario zu wetten. Weitere Themen in diesem Kapital: Citigroup und Petrochina.

Januar 1970, die deutsche Inflationsrate liegt bei 2,7 Prozent, europäische Aktien kosten den gut 14-fachen Gewinn. Das Wachstum der Geldmenge M1 scheint schon seit Jahren etwas üppig und beschleunigt sich bis zum ersten Quartal 1972 auf 15 Prozent. Bis 1973 steigt die Inflation auf 7 Prozent, wo sie auch 1974 verharrt und sich bis 1978 langsam auf 2,7 Prozent zurückbildet. Der MSCI Deutschland fällt bis zum Herbst 1974 nominal um ein Drittel und real um die Hälfte. Europäische Aktien notieren noch mit dem knapp 6-fachen Gewinn, dem 3-fachen Cashflow und mit dem 0,8-fachen Buchwert. Die Dividendenrendite steigt auf 6,5 Prozent.

November 2007, die deutsche Inflationsrate (HVPI) liegt bei 2,7 Prozent, europäische Aktien kosten den 14-fachen Gewinn, den 9,5-fachen Cashflow und 2,3-fachen Buchwert, bei einer Dividendenrendite von 3 Prozent. Das Wachstum der Geldmenge M3 im Euro-Raum ist seit Jahren ungemütlich hoch und beläuft sich nun auf 11 Prozent. Wie Anfang der 70er hat sich der Ölpreis binnen weniger Jahre vervielfacht und hierzulande selbst unter Einbeziehung der Währungsaufwertung mehr als verdoppelt. Anders als damals geht das diesmal zwar auf einen Nachfrageschock zurück, der sich durch den Aufschwung in den Schwellenländern erklärt. Da dieser aber zu einem guten Teil auf Exporten in die Industrieländer beruht, deren Nachfrage wiederum durch eine laxe Zinspolitik gefördert wurde, tragen die Notenbankiers wie gehabt ihr Scherflein zu den Inflationsrisiken bei. Eine Lohn-Preis-Spirale scheint wegen des harten globalen Wettbewerbs nicht in Sicht. Aber mit Diätenerhöhungen von gut neun Prozent setzen die deutschen Parlamentarier schon mal ein Signal.

Derweil haben auch die Gewerkschaften längst begriffen, dass die hiesigen Firmen inzwischen wieder etwas zu verlieren haben - was die Androhung von Produktionsverlagerung bei unbotmäßigen Lohnforderungen nicht gerade glaubwürdiger macht. Wie stark die Gewinnmargen gestiegen sind, kann man daran ermessen, dass die Produzentenpreise über die vergangenen zehn Jahre um ein Fünftel gestiegen sind (Kernrate um zwölf Prozent), während die industriellen Lohnstückkosten um fast ein Fünftel nachgegeben haben.

Ihre Preismacht verdanken die deutschen Firmen aber nicht der Inlandsnachfrage (wie auch, bei der schwachen einhergehenden realen Einkommensentwicklung?), sondern der brummenden Auslandsnachfrage. Wie inzwischen jeder weiß, basiert die aber zu großen Teilen auf Schulden. Und das ist der große Unterschied zur Situation Anfang der 70er: dass wir es diesmal mit einer ausgewachsenen Schuldendeflation zu tun kriegen könnten. Wie Japan zeigt, wäre diese jedoch kaum minder schlimm für Aktien. Die Rentenanleger scheinen schon auf dieses Szenario zu wetten.