Ein interessanter Artikel zum Thema "negative Realzinsen" => was bringen dem "braven" Sparer 4,5% auf dem Tagesgeldkonto, wenn die "persönliche" Inflationsrate bei 6% oder mehr liegt?
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9. November 2007, 12:23 Uhr
Von Daniel Eckert und Holger Zschäpitz
Inflation
Experten warnen Sparer vor "Geld-Illusion"
Das lange nicht mehr gefürchtete und fast vergessene Inflationsgespenst ist plötzlich wieder da. Die anziehende Preissteigerung vernichtet Rendite bei der Geldanlage. Doch viele Sparer sind schlecht auf die neue Situation vorbereitet.
Die Preissteigerungsrate in der Eurozone hat im Oktober mit 2,6 Prozent den höchsten Stand seit zwei Jahren erreicht. Sie liegt damit klar über der von der Europäischen Zentralbank als Preisstabilität definierten Marke von knapp zwei Prozent, normalerweise ein Zeichen für eine baldige Zinserhöhung im gemeinsamen Währungsraum. Dennoch rechnen Beobachter damit, dass die EZB den Leitzins bei ihrer nächsten Sitzung unverändert bei vier Prozent belassen wird - und die Preise weiter steigen.
100 Euro von heute sind in 30 Jahren nur noch 55 Euro wert
Seitdem die Kosten für Strom und Gas, Milch und Brot, Benzin und Diesel in die Höhe schießen, reduzieren viele Deutsche nun ihre Shopping-Lust. Dabei trifft eine Inflation nicht in erster Linie den Konsumenten. Schließlich wird das Geld immer weniger wert, und damit sinkt die Kaufkraft. Je eher man also etwas kauft, desto besser. Stattdessen sind vor allem Anleger die Leidtragenden. Bei der Geldanlage sind von 10 000 Euro bei einer Inflationsrate von drei Prozent nach 20 Jahren nur noch gut die Hälfte übrig, bei einer Teuerung von vier Prozent bleiben gar nur 4500 Euro. Gerade bei langfristigen Sparprozessen wie der Altersvorsorge muss die Geldentwertung berücksichtigt werden. Immerhin betrug die Inflationsrate im Durchschnitt der vergangenen 50 Jahre 2,8 Prozent pro Jahr. Ein Geldbetrag von heute 100 Euro ist selbst bei durchschnittlich zwei Prozent Inflation pro Jahr in 30 Jahren sogar nur noch 55 Euro wert.
Doch die Anleger ignorieren das. Der klassische Sparer klammert die Inflation mental aus. Für ihn ist Geld auch in 20 Jahren das Gleiche wert wie heute, nämlich der Betrag, der draufsteht. Ökonomen warnen Anleger vor dieser sogenannten "Geld-Illusion". Was wirklich zählt, ist die reale Rendite, nämlich die Rendite abzüglich der Inflation.
Vor allem Tages- und Festgeldkonten betroffen
Hauptleidtragende der Inflation sind Halter festverzinslicher Papiere und Rentenfonds. Denn der Kupon (die jährliche Zinszahlung) bleibt gleich, während die Lebenshaltungskosten stetig steigen. Bei einer Inflationsrate von drei Prozent verlieren Zinszahlungen von 1000 Euro im Verlauf von zehn Jahren 26 Prozent ihrer ursprünglichen Kaufkraft. Ein Rechenbeispiel: Aktuell liegt die reale Rendite bei zehnjährigen Bundesanleihen bei 1,6 Prozent (4,2 Prozent minus 2,6 Prozent). Die Gefahr besteht darin, dass der Kupon gleich bleibt, die Inflationsrate aber steigt. Anleger erleiden dann unmerklich einen Vermögensverlust.
Extrem ist auch die Situation beim Blick auf das klassische Anlagegebaren vieler Bundesbürger. Sie legen ihr Erspartes noch immer mit großer Vorliebe auf niedrig verzinste Tages- und Festgeldkonten zu bestenfalls vier Prozent an. Werden von diesen Erträgen die Steuern abgerechnet - im Schnitt etwa ein Drittel - bleiben netto gerade noch 2,7 Prozent übrig. Diesen Wert könnte die Inflation aber schon im November erreichen, sodass unter dem Strich kein Vermögenszuwachs mehr bliebe.
Was passiert mit den Aktien?
Auf Aktien hat eine zunehmende Teuerung widersprechende Auswirkungen: Theoretisch legen Dividendenpapiere im Gleichklang mit der Inflation zu. Schließlich verbriefen die Anteilscheine ja ein Eigentumsrecht an Unternehmen, und diese wiederum besitzen Maschinen und Grundstücke, denen die Inflation nichts anhaben kann. Gleichzeitig jedoch ist eine hohe Inflation negativ für Aktien: Zum einen erschwert eine hohe Teuerung die Firmen-Finanzierung, zum anderen wird Aktien in Hochinflationszeiten nur eine niedrige Bewertung zugebilligt, was die Notierungen unter Druck bringt.
Viele Analysten und Banker beschwichtigen allerdings noch. Für die Anlageexperten ist der aktuelle Teuerungsschub lediglich das Ergebnis eines ungünstigen Zusammentreffens von Mehrwertsteuererhöhung, Energiepreisexplosion und Engpässen bei Agrarrohstoffen. Bereits 2008 werde die Geldentwertung wieder auf ein harmloses Niveau unter zwei Prozent zurückfallen, sagen sie.
"Inflationsschutz muss Komponente jedes Portfolios werden"
Seit Anfang der 90er-Jahre mussten Bankberater und Sparer auf die Teuerung keine Rücksicht nehmen. Die Inflationsrate lag selten höher als zwei Prozent, sodass sie von Zinsen und anderen Erträgen nur einen kleinen Teil wegknabberte. Und wie immer nach solch einer langen Zeitspanne können sich nur wenige Profis vorstellen, dass durch heftige Nachfrageverschiebungen auf den Weltmärkten ein neues Inflationszeitalter anbricht.
"Die Inflation wird uns allen noch Ärger bereiten", sagt der frühere Chefvolkswirt der HypoVereinsbank Martin Hüfner. Nach Auffassung des Ökonomen ist die Phase stabiler Preise auf absehbare Zeit passé. Auch der ehemalige Chef der US-Notenbank, Alan Greenspan, warnt in seinem jüngst erschienenen Buch vor einer neuen Ära der beschleunigten Inflation, ebenso wie Bundesbankpräsident Axel Weber, der eine Teuerung von drei Prozent für möglich hält.
Sollte es so kommen, müssten Investmentratgeber neu geschrieben, Vermögensberater neu geschult und Anlageprodukte neu konzipiert werden. Schließlich würde der Anlageerfolg neu definiert, nämlich als Rendite nach Abzug der Inflation. "Inflationsschutz muss Komponente jedes Portfolios werden", fordert deshalb Markus Heider, Investmentexperte bei der Deutschen Bank.