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manager-magazin.de, 06. November 2007, 09:20 Uhr
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KREDITKRISE
Alles spricht für Gold
Von Christoph Rottwilm
Rekordjagd am Goldmarkt. Steigende Inflations- und Crash-Ängste verleihen dem Edelmetall Auftrieb. Doch wohin geht die Reise? Wird die zunehmende Geldentwertung den Goldpreis, wie von Experten erwartet, noch weiter anheizen?
Hamburg – Historischer Augenblick an der New Yorker Rohstoffbörse. Erstmals seit 27 Jahren wurden an der Nymex vergangenen Mittwoch wieder mehr als 800 Dollar für eine Unze Gold gezahlt. Die seit sechs Jahren andauernde Hausse, während der sich der Preis bereits fast verdreifacht hat, geht damit in eine neue Runde.
Glaubt man Fachleuten, so ist ein Ende des Aufschwungs kaum abzusehen. Auch der bisherige Rekordpreis von 850 Dollar je Unze aus dem Jahr 1980 wird - so der Tenor - demnächst getoppt. Spannend ist nur noch die Frage, wann dies geschieht - und für Anleger vor allem, was danach kommt.
Auslöser des neuerlichen Goldpreisanstiegs war nicht durch Zufall die Leitzinssenkung durch die US-Notenbank. Denn mit ihrer Entscheidung schwächte die Fed erneut den Dollar. Vor allem aber sorgte sie für eine weitere Geldmengenausweitung und bestärkte damit ohnehin kursierende Inflationsängste.
Der Hintergrund: Mit ihrer Niedrigzinspolitik haben viele Zentralbanken - die Fed vorneweg - in den vergangenen Jahren weltweit für eine wahre Liquiditätsschwemme gesorgt. In der Folge stiegen die Preise und Kurse auf den Immobilien-, Aktien- und Private-Equity-Märkten rund um den Globus in ungeahnte Höhen.
Das Übergreifen dieser "Inflation der Vermögensgüter", wie Thomas Polleit, Chefvolkswirt bei Barclays Capital, das neue Phänomen nennt, auf das allgemeine Preisniveau hat bereits eingesetzt.
Verstärkt wird die Entwicklung durch den wirtschaftlichen Aufschwung in Schwellenländern. Bislang konnten westliche Unternehmen Kosten drücken, indem sie ihre Produktion in die sprichwörtlichen "Billiglohnländer" verlagerten. Dieser Effekt geht inzwischen mehr und mehr verloren. Denn rund um den Globus steigt das Lohnniveau. Zu allem Überfluss zieht die daraus folgende zusätzliche Nachfrage nach Konsumgütern das Preisniveau zusätzlich in die Höhe.
Bereits 8 Prozent Inflation
Die Folgen sind schon messbar: Für den Oktober meldete das Statistische Bundesamt – wenn auch zunächst nur vorläufig - zum zweiten Mal in Folge eine monatliche Steigerungsrate des Verbraucherpreisindex (VPI) von 2,4 Prozent und damit eine erneute Zunahme der Geldentwertung um 0,2 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr.
Die tatsächliche Geldentwertung ist nach Meinung vieler indes schon deutlich höher. Der Freiburger Statistiker Hans Wolfgang Brachinger etwa bezifferte die "gefühlte Inflation" bereits im August auf 5,2 Prozent.
Noch einen Schritt weiter geht Rohstoffexperte Uwe Bergold von Global Resources Invest. Seine Kalkulation: Einem Geldmengenwachstum von bis zu 11 Prozent steht zurzeit ein Wirtschaftswachstum von etwa 3 Prozent gegenüber. Unter dem Strich bleibt eine Geldentwertung von 8 Prozent. Eine Verzinsung, die diesen Wert übersteigt, kann kaum eine Anlageform bieten.
Negative Realverzinsung
"Eine negative Realverzinsung in anderen Assetklassen ist der einzige vernünftige Grund für ein Investment in Gold", meint Bergold. Wie viele andere Fachleute ist auch er der Ansicht, dass die künftige Entwicklung des Goldpreises vor allem vom weiteren Verlauf der Finanzkrise abhängt.
"Dabei stellt sich allerdings nicht die Frage ob, sondern lediglich wie stark der Preis langfristig steigen wird", sagt Bergold. Der Grund: Ungeachtet der drohenden Inflation spricht - abgesehen von zwischenzeitlich zu erwartenden Rückschlägen etwa aufgrund von Gewinnmitnahmen - auch fundamental alles dafür, dass sich der Aufwärtstrend künftig fortsetzt.
So trifft am Goldmarkt schon seit langem ein rückläufiges Angebot auf eine wachsende Nachfrage. Auf der einen Seite werden bedeutende neue Goldvorkommen nur noch selten entdeckt. In den bestehenden Minen muss zudem immer tiefer gegraben werden, bis sich der gelbliche Glanz im Gestein zeigt. Das steigert die Kosten.
Chronisches Ungleichgewicht am Goldmarkt
Auch die Notenbanken üben mit Verkäufen nur noch wenig Druck auf den Goldpreis aus. In den vergangenen Jahren haben die Banken kontinuierlich Bestände veräußert. "Inzwischen hat dieses zusätzliche Angebot kaum noch negativen Einfluss auf die Preisbildung", sagt Martin Stürner, Goldfondsexperte und Chef der PEH Wertpapier AG. "Um ihre Devisenbestände zu diversifizieren, treten einige Zentralbanken - etwa in China und Russland - sogar schon als Käufer auf."
Ohnehin nimmt die Goldnachfrage weltweit kontinuierlich zu. Vor allem die Schmuckindustrie - seit jeher weitaus stärkster Nachfrager – verzeichnet einen laut Wolfgang Wrzesniok-Rossbach von der Heraeus Metallhandelsgesellschaft in Hanau "angesichts des hohen Preisniveaus bemerkenswerten Boom".
Starke Impulse dafür kommen aus Fernost. Besonders in den Schwellenländern China und Indien steigen in der Ober- sowie in der sich gerade bildenden Mittelschicht mit dem Lebensstandard auch die Ansprüche. "Vor zwei Jahren wurde der Goldkauf von Privatinvestoren in China nach mehr als 50 Jahren wieder legalisiert", erklärt Robert Hartmann vom Handelshaus Pro Aurum in München. "Seitdem bilden sich Schlangen an den Bankschaltern." In Indien, wo die vielzitierte Hochzeitssaison ohnehin einmal im Jahr für Gedränge in den Läden der Goldhändler sorgt, zeigt der Trend in die gleiche Richtung.
Schlangen an chinesischen Bankschaltern
Dazu kommen steigende Mittelzuflüsse von institutioneller Seite über die seit wenigen Jahren verfügbaren, am Goldpreis orientierten Exchange Traded Funds (ETF) sowie eine brummende Weltwirtschaft, die auch den industriellen Bedarf insbesondere in der Elektronikindustrie anwachsen lässt.
Nicht zuletzt haben zahlreiche Termingeschäfte, mit denen sich viele Minengesellschaften in den neunziger Jahren vor dem Goldpreisverfall schützen wollten, in den vergangenen Jahren erheblichen Einfluss auf die Preisentwicklung gehabt. "Viele dieser Geschäfte wurden nicht verlängert", erklärt Goldhändler Hartmann. "Teilweise kam es seit 2001 sogar aktiv zu Rückkäufen." Laut Hartmann wurden auf diese Weise in nur drei Jahren etwa 1500 Tonnen Gold aus dem Markt genommen – bei einem jährlichen Gesamtangebotsvolumen von etwa 3800 Tonnen ein empfindlicher Eingriff.
Fazit: Die Inflationsängste unter den Anlegern verleihen der ohnehin intakten Goldhausse nur zusätzlichen Auftrieb. Die Gefahr einer Blasenbildung besteht dabei nach Ansicht von Martin Siegel, Fondsberater von Siegel Investments, kaum: "Trotz des etwas gestiegenen Interesses bleibt die Mehrzahl der Anleger im Gold völlig unterinvestiert."
"10.000 Dollar je Unze in zehn Jahren möglich"
Steht einem weiteren Anstieg des Preises also nichts mehr im Wege? Bergold erwartet bei zunehmender Volatilität einen weiteren Anstieg mindestens bis zum Herbst kommenden Jahres. Ab dann dürften seiner Meinung nach zunächst einmal Korrekturen einsetzen.
"Wenn es nicht gelingt die Geldentwertung zu stoppen, halte ich einen Goldpreis von 1500 Dollar im Jahr 2008 für realistisch", so allerdings seine Prognose. "In den kommenden zehn Jahren sind in einem solchen Szenario auch Preise zwischen 5000 und 10.000 Dollar je Feinunze möglich."
PEH-Mann Stürner erwartet auch ohne einen inflationsbedingten Hype einen Preisanstieg von bis zu 50 Prozent in den kommenden zwei bis drei Jahren. "Kommt es zur Inflation – was ich für mehr als wahrscheinlich halte – dann wird der Anstieg noch deutlicher ausfallen", ist sich Stürner sicher.
Goldhändler Wrzesniok-Rossberg ist zurückhaltender. "Wir werden auf längere Sicht Preise jenseits der 650 Dollar pro Unze sehen", sagt er. „In nächster Zukunft rechne ich aber erst einmal mit Rückschritten beispielsweise aufgrund von Gewinnmitnahmen.“ Laut Wrzesniok-Rossberg wird der historische Rekord von 850 Dollar nicht mehr in diesem Jahr fallen.
Wohin die Reise tatsächlich geht, hängt stark vom Verhalten der Notenbanken ab. Denn wenn überhaupt, dann können nur sie die Geldentwertung stoppen.
Die Zinsentscheidung am vergangenen Mittwoch machte jedoch bereits deutlich, in welcher Zwickmühle sich Fed-Chef Ben Bernanke und Co. derzeit befinden. Der Verzicht auf den Zinsschritt oder gar eine Zinssteigerung, die zur Stabilisierung der Preise beitragen würde, verbot sich, weil dadurch angesichts der Finanzkrise unweigerlich der konjunkturelle Aufschwung gefährdet worden wäre. Die Notenbanker sahen sich vielmehr zur Zinssenkung gezwungen, um - zumindest vorübergehend - die Märkte zu beleben.
Folge: Rund um den Globus steigt erneut die Inflationsgefahr - und die Nachfrage nach Gold nimmt weiter zu.
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