Montag, 5. November 2007

Bankenkrise: "Misstrauenswelle gegenüber Banken"

Gefunden bei handelsblatt.com:

HANDELSBLATT, Montag, 5. November 2007, 14:35 Uhr
Subprime-Krise

Massive Misstrauenswelle gegenüber Banken
Von Nicole Bastian und Dirk Heilmann

An den Finanzmärkten grassiert die Angst, Banken könnten die Folgen der Finanzkrise noch lange nicht verdaut haben. Spekulationen über weitere Milliardenabschreibungen lassen Bankaktien in Europa und den USA in die Tiefe stürzen – die Subprime-Krise hat einen zweiten Höhepunkt erreicht.

FRANKFURT/LONDON. „Die Hoffnung, dass wir im vierten Quartal zurück zur Normalität kehren, schwindet“, meint Bankenanalyst Ronny Rehn von Morgan Stanley. „Die Furcht vor möglichen Kapitalerhöhungen wächst.“

Besonders hart erwischte es in Europa Barclays und das niederländisch-belgische Institut Fortis, deren Kurs am Freitag um 5,95 beziehungsweise 4,43 Prozent schwächer schloss. Im Tagesverlauf waren die Kursverluste noch größer gewesen. In den USA sackte die Aktie von Merrill Lynch mit zwischenzeitlich 9,4 Prozent so stark wie seit sechs Jahren nicht mehr, nachdem Gerüchte umgingen, die Risiken in der Bilanz seien größer als von Merrill angegeben. Die Deutsche Bank hält in einer Studie weitere Abschreibungen über zehn Mrd. Dollar für möglich. „Wir haben zunehmend das Vertrauen in die Finanzen von Merrill verloren“, lautet das harsche Urteil.

Selbst nach der Vorlage der ersten Geschäftszahlen für das dritte Quartal ist bei vielen Instituten nicht klar, ob und in welcher Höhe noch weitere Belastungen durch den Preisverfall strukturierter Wertpapiere auf den eigenen Büchern, durch Liquiditätslinien an Zweckgesellschaften oder durch Übernahmekredite drohen. Der Markt ist nach einer vorübergehenden Beruhigung wieder so verunsichert, dass eine einzige Analystenstudie ausreicht, um Anleger in Scharen zum Verkauf zu bewegen.

Beispiel Fortis: Nachdem UBS die Aktie zum Verkauf empfahl, weil Fortis über seine Belastungen aus der Krise wenig sage, obwohl es zu den 20 größten Strukturierern von Kreditderivaten gehöre, stürzte der Fortiskurs am Freitag ab. Ähnlich war es zuvor dem Citigroup-Kurs ergangen, als eine Analystin von CIBC vor einem möglichen Kapitalbedarf des Instituts über 30 Mrd. Dollar warnte. Goldman Sachs-Analyst Peter Oppenheimer goss für die Branche weiteres Öl ins Feuer, als er prognostizierte, Banken dürften ihre Gewinnerwartungen weiter nach unten revidieren. „Der Abstufungszyklus ist vermutlich stärker und länger anhaltend als zuvor erwartet.“

Ein Grund für die Befürchtungen sind fallende Bewertungen für strukturierte Wertpapiere. „Das bedeutet weitere Bewertungsverluste für die Banken“, sagt Rehn. Und dies nicht nur auf mit Unternehmens- und Wohnimmobilienkrediten unterlegten Forderungen. Künftig dürften auch verbriefte Gewerbeimmobilienkredite ein Thema werden. Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann hat zuletzt ebenfalls gewarnt, dass im vierten Quartal bei einigen Instituten wegen weiter fallender Bewertungen für verbriefte Produkte zusätzliche Abschreibungen notwendig werden könnten.

Auch bei Barclays argwöhnen Händler und Analysten, dass das britische Institut dem Markt bald unerwartet schwache Zahlen melden könnte. Barclays griff im Sommer zweimal auf Sonderfazilitäten zurück, die die Bank von England zur Linderung der Liquiditätskrise bereit gestellt hatte. So argwöhnten Analysten, das Institut könnte Finanzierungsprobleme haben.

Am Freitag wollte sich die drittgrößte Bank Großbritanniens, die am 27. November über das dritte Quartal informieren will, zu den Spekulationen nicht äußern. Die Bank von England teilte mit, aktuell habe keine Bank auf Sonderfazilitäten zugegriffen. Analysten warnen vor Panikmache in Sachen Barclays: „Es gibt Befürchtungen über hohe Abschreibungen und anderes, aber bisher deutet alles, was Barclays gesagt hat, darauf hin, dass das kein Thema ist", sagt Ian Poulter von Landsbanki Financials. Barclays kaufe derzeit eigene Aktien zurück, was die Bank nicht tun würde, wenn wichtige Mitteilungen bevorstünden. Im Rahmen des Aktienrückkaufprogramms hat die Bank für 33 Mill. Pfund eigene Papiere aufgekauft. Frits Seegers, Chef der Privatkundensparte, kaufte am Freitag privat Aktien für 700 000 Pfund. Auch Investoren halten die Befürchtungen für übertrieben. Richard Batty von Standard Life Investments, sieht nach dem jüngsten Kursverfall wieder Chancen in britischen Bankaktien. Die britische Wirtschaft werde sanft landen, und Banken würden ihre Bilanzen bereinigen, sagte er.

Das gilt auch für Institute hierzulande. „Die deutschen Banken haben klar gesagt, ob und welche Engagements sie haben“, sagt WestLB-Analyst Johannes Thormann. Er sieht in dem Verlust der Bankaktien eine Überreaktion. Weiter fallende Kurse für Kreditderivate könnten die Bankenergebnisse im vierten Quartal belasten, doch es sei nicht ausgemacht, dass sich ein Teil der Abschreibungen nicht in stille Reserven verwandle, wenn die Bewertungen später wieder stiegen. „Der Ausblick für das operative Geschäft hat sich nicht verschlechtert“, sagt Thormann.