Dienstag, 16. Oktober 2007

Wirtschaftswoche: Artikel über Gold

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Greenspans Liebling

Gold»
Das wirtschaftliche Umfeld spricht für Gold: Die Europäische Zentralbank EZB musste milliardenschwere Liquiditätsspritzen leisten, um das Finanzsystem nach der US-Hypothekenkrise in Schwung zu halten. Warum Gold für Anleger immer wichtiger wird.

Das Misstrauen sitzt tief. Da mag der Goldpreis steigen und steigen, von knapp 300 Dollar Anfang 2002 auf inzwischen 740 Dollar – doch viele Profi-Investoren bleiben skeptisch. So wie Elisabeth Weisenhorn, früher Star-Fondsmanagerin der Deutsche-Bank-Tochter DWS und heute selbstständig: „Gold ist keine ernst zu nehmende Anlageklasse. Wofür braucht man das als Anleger?“

Darauf gibt es eine Menge Antworten. Die gängigste: Wer in Gold investiert, will sich vor Inflation schützen. Das hat zuletzt prächtig funktioniert. Seit 2005 steigt der Goldpreis, gerechnet in allen wichtigen Papierwährungen. Gold hat sich als stärkste Währung der Welt etabliert und gehört schon deshalb „nicht nur an den Hals schöner Frauen“, wie es Michael Schramm, Teilhaber der Privatbank Hauck & Aufhäuser, formuliert. Für den Kauf von Barren, Münzen oder speziellen Indexfonds (ETFs) ist es nicht zu spät. Die Aktien ausgewählter Goldförderer bieten zudem risikobereiten Anlegern jetzt interessante Chancen.

Das wirtschaftliche Umfeld spricht für Gold: Die Europäische Zentralbank EZB musste milliardenschwere Liquiditätsspritzen leisten, um das Finanzsystem nach der US-Hypothekenkrise in Schwung zu halten. Die amerikanische Zentralbank Fed wiederum senkte die Zinsen, die EZB sagte daraufhin weitere Zinserhöhungen ab und steuert in die Gegenrichtung: „Der nächste Zinsschritt wird nach unten weisen“, ist sich Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sicher. Das alles, um die Kreditklemme zu lösen und die Wirtschaft vor einer Rezession und die Börsen vor einem Absturz zu schützen. Doch damit ebnen sie den Weg für die Rückkehr der globalen Inflation (WirtschaftsWoche 41/2007). Die Analysten der Citigroup prognostizieren einen neuen Zyklus globalen Kreditwachstums mit der Folge, dass die wichtigen Währungen allesamt in einen Abwertungswettlauf geraten könnten.

Anders als Papierwährungen ist Gold nicht beliebig vermehrbar. Das Edelmetall bietet Anlegern seit Jahrhunderten Schutz vor Kaufkraftverlusten in ihrer Heimatwährung. Steigt die Inflation schneller als die Zinsen, zehrt das am Vermögen. In solchen Phasen fällt der Hauptnachteil von Gold nicht so sehr ins Gewicht: dass es keine Zinsen bringt und keine Dividenden abwirft, die Rendite also allein aus dem Preisverlauf kommen muss.

Und der erhält derzeit jede Menge Unterstützung. Während die Minenproduktion seit Jahren stagniert, steigt die Nachfrage. Der Ausbruch der Kreditkrise löste vorübergehend einen Run in den sicheren Hafen Gold aus. Edelmetallhändler wie Pro Aurum in München oder Westgold aus Lindhorst in Niedersachsen wurden mit Kaufaufträgen für Barren und gängige Anlagemünzen wie den Krügerrand überschüttet. Das Volumen der mit Gold unterlegten börsennotierten Indexfonds (ETF) stieg von Ende Juni bis Mitte September um 17 Prozent auf 747 Tonnen. Ohne die Goldverkäufe europäischer Notenbanken von maximal 500 Tonnen pro Jahr würde die Unze Gold wohl längst mehr als 1000 Dollar kosten. Aktuell liegt sie noch gut 15 Prozent unter ihrem Höchststand von 1980 bei 871 Dollar. Jetzt könnte der Preis den Anlauf dahin versuchen; Gold als Geldanlage werde gerade erst von vielen entdeckt, sagt Gerald Cesar, Chef der Stuttgarter Vermögensberatung Cesar & Partner.

Gold geht nie pleite, dafür immer mehr US-Hausbesitzer. In der Erwartung auf ständig steigende Preise ihrer Immobilien haben sie diese immer höher beliehen und das Geld ausgegeben. Anfang 2006 stiegen die US-Hauspreise im Jahresvergleich noch um 15 Prozent. Doch binnen zwölf Monaten drehten die Preise; im August kostete ein neues Eigenheim im Schnitt 7,5 Prozent weniger als vor einem Jahr. Experten halten einen weiteren Rückgang um 20 bis 50 Prozent für möglich. Schon jetzt stecken Millionen US-Hausbesitzer in der Schuldenfalle und müssen sparen. Folge: Der Konsum, an dem gut zwei Drittel der US-Wirtschaftsleistung hängt, droht einzubrechen. Das bekäme auch der Rest der Welt zu spüren. Ein Fünftel der globalen Importe gehen in die USA.

Banken, die Immobilienkredite zu lax vergaben, die Forderungen bündelten und weiterreichten, holten sich die Risiken am Ende wieder ins eigene Haus, weil sie außerhalb ihrer Bilanz selbst in die komplizierten Konstrukte investierten oder anderen Investoren die Kreditkäufe finanzierten. Jetzt sitzen viele Institute in der Liquiditätsfalle und drehen den Kredithahn zu. Doch nur Kreditwachstum kurbelt Konsum und Investitionen an, sorgt für Arbeitsplätze und steigende Börsenkurse. Kreditexzesse führen allerdings dazu, dass Kapital auch dort investiert wird, wo es ökonomisch nicht nötig ist – so entstehen Anlageblasen wie bei Technologieaktien zur Jahrtausendwende und danach bei US-Immobilien. In den USA stieg der Anteil der Gesamtverschuldung am Bruttoinlandsprodukt von 150 Prozent 1969 über 240 Prozent 1990 auf aktuell 340 Prozent. Das jährliche US-Leitungsbilanzdefizit kletterte auf 840 Milliarden Dollar. Solange Kredite leicht und billig zu haben sind und das Ausland Dollar kauft, läuft das System wie geschmiert. Anlageblasen vergrößern sich, neue entstehen – zugleich schwindet das Risikobewusstsein der Investoren. Ernst wird es erst, wenn die Schulden nicht mehr bedient werden können. So wie jetzt bei vielen US-Eigenheimbesitzern. Dann drohen Werteverfall und Rezession.

Wie man das verhindert? Das erklärte US-Notenbankchef Ben Bernanke im November 2002 nach dem Platzen der Aktienblase. Bernanke skizzierte das „beträchtliche Arsenal an Instrumenten“, über das eine Zentralbank verfügt, um Produktion und Nachfrage zu erhöhen. Seine Rede liest sich wie ein Leitfaden zur Goldanlage: „Wie Gold haben US-Dollar nur in dem Maße einen Wert, wie sie in ihrem Angebot strikt limitiert sind. Aber die US-Regierung hat die Druckerpresse, die es ihr ermöglicht, so viele US-Dollar zu produzieren, wie sie wünscht, praktisch zu Nullkosten.“ Weitere Kostprobe: „In einem Papiergeldsystem ohne Edelmetalldeckung kann eine Regierung jederzeit die Ausgaben erhöhen und somit eine positive Inflation schaffen.“ Dabei steigen die Papiergeldmengen in den USA und der Euro-Zone jetzt schon mit zweistelligen Zuwachsraten. Findige US-Statistiker wie John Williams misstrauen den offiziell ausgewiesenen US-Inflationszahlen. Würde heute noch mit den statistischen Methoden aus der Ära vor Präsident Bill Clinton gearbeitet, wären die US-Verbraucherpreise im August nicht um rund zwei Prozent, sondern um fast zehn Prozent gestiegen, sagt Williams. Bei einer Rendite von derzeit 4,6 Prozent für zehnjährige US-Staatsanleihen zahlten Anleger nach dieser Rechnung kräftig drauf. Und die rasantesten Aufwärtsbewegungen erlebte der Goldpreis bisher immer dann, wenn die Inflation schneller stieg als die Zinsen und so den Sparern keine Vermögenszuwächse mehr ließ. Das war so Ende 1973 und Anfang 1974, als sich der Goldpreis binnen gut drei Monaten von 90 auf 180 Dollar verdoppelte. Und das war so um die Jahreswende 1979/80. Damals schoss der Preis binnen zwei Monaten von 400 auf 835 Dollar.

Als Goldanhänger bekannte sich einst auch der ehemalige US-Notenbankchef Alan Greenspan: „Gold ist das ultimative Zahlungsmittel der Welt, Gold wird überall akzeptiert.“ Das sieht seine frühere Behörde wohl immer noch so, jedenfalls lehnen die USA einen Verkauf der eigenen Goldbestände strikt ab. 8134 Tonnen liegen in Fort Knox und unter den Straßen von New York. Anders die Haltung in Europa: Im September 2004 vereinbarten 15 europäische Notenbanken, über fünf Jahre bis zu 2500 Tonnen Gold aus ihren Beständen zu verkaufen. Nach Statistiken des World Gold Council (WGC), einer Marketingorganisation führender Goldproduzenten, sitzen nationale Notenbanken und internationale Organisationen wie IWF und BIZ noch auf 30.120 Tonnen Gold im Marktwert von aktuell gut 700 Milliarden Dollar. Das sind fast ein Viertel der jemals geförderten Menge. Theoretisch könnten Zentralbanken eine Goldschwemme auslösen und so den Preis in den Keller drücken.

Doch das schreckt den Goldmarkt immer weniger. Zwischen Juni und September verkauften offizielle Stellen 254 Tonnen Gold. Zu den eifrigsten Verkäufern zählten die Zentralbanken Spaniens (55,5 Tonnen), der Schweiz (48 Tonnen), Frankreichs (22,2 Tonnen) sowie die EZB (37 Tonnen). In früheren Zeiten hätte diese tonnenschwere Last den Goldpreis massiv unter Druck gesetzt. „Inzwischen hat es den Anschein, als hätten die Zentralbanken die Kontrolle über den Goldpreis verloren“, sagt Citigroup-Analyst John Hill.

Wegen des aktuellen Dollar-Verfalls steigt zudem die Wahrscheinlichkeit, dass Zentralbanken aus Asien, Russland und dem Mittleren Osten Gold kaufen: Wollte nur China den Goldanteil an seinen 1400 Milliarden Dollar Währungsreserven an den weltweiten Durchschnitt von neun Prozent anpassen, müsste es fast 5000 Tonnen zukaufen. Zum Vergleich: Deutschland besitzt mit 3417 Tonnen den zweitgrößten Goldschatz nach den USA.

Ein guter Indikator, wie es mit dem Goldpreis weitergehen könnte, sind die Erwartungen der Brancheninsider. Die Manager der Minengesellschaften setzen selber auf steigende Preise, indem sie einen Teil ihrer zu vorab fixierten Preisen verkauften künftigen Produktion eilig zurückkaufen. 480 Tonnen werden so dem Markt 2007 entzogen, schätzen die Goldexperten der Citigroup. Nur einen Tick mehr werden die Notenbanken in diesem Jahr verkaufen.

Die Schmuckindustrie ist der bedeutendste Verarbeiter des Rohstoffs Gold. Sie verbraucht zwei Drittel des für 2007 erwarteten Angebots von 3893 Tonnen, das sich aus Minenproduktion (64 Prozent), Recycling von Altgold (23) und Notenbankverkäufen (13) zusammensetzt. Die restliche Nachfrage verteilt sich zu etwa gleichen Teilen auf andere Industrieanwendungen (Elektronik, Zahngold), Goldinvestoren und die Goldminen, die ihre offenen Lieferverpflichtungen schließen. Für eine Fortsetzung des Preisanstiegs schon in den nächsten Monaten spricht auch, dass die nachfragestärkste Saison für Gold anbricht. Ins Schlussquartal fallen die großen religiösen Feste Weihnachten und das indische Lichterfest Diwali. Indien ist der größte Goldmarkt der Welt mit fast 700 Tonnen Jahresverbrauch vor der Türkei mit 303 Tonnen. Dahinter folgen Italien (284 Tonnen) und China (235 Tonnen). Ins erste Quartal des Jahres fällt das chinesische Neujahrsfest.

Weniger Grund zum Feiern haben trotz Goldhausse die meisten Goldminen. Denn nicht nur der Goldpreis ist gestiegen, sondern auch die Preise für Energie, Minengerät, Transport und Fachkräfte. Auch Branchenriesen wie Newmont Mining trifft die Kosteninflation hart. So warnte der weltweit zweitgrößte Goldkonzern Ende September, die Kosten für den Abbau einer Feinunze (31,1035 Gramm) könnten 2007 höher ausfallen als ursprünglich angenommen. 2006 arbeitete Newmont mit reinen Förderkosten von 304 Dollar pro Unze. In diesem Jahr könnten es mehr als 400 Dollar werden. „Selbst der Preisanstieg weit über 700 Dollar hinaus wird das Produktionsdefizit auf dem Goldmarkt nicht rasch beheben“, sagt Eugen Weinberg, Leiter des Rohstoffresearchs bei der Commerzbank. Es fehlten neue große Vorkommen mit hohem Goldgehalt im Gestein. Vom ersten Goldfund bis zur Produktion dauert es im Schnitt acht bis zehn Jahre. Nach den Daten von GFMS, einem auf Edelmetalle spezialisierten britischen Beratungsunternehmen, stieg die Minenproduktion in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt nur um 0,8 Prozent pro Jahr, während der Goldverbrauch um mehr als 1,5 Prozent pro Jahr zunahm. Goldige Zeiten für Anleger also.

[16.10.2007] frank.doll@wiwo.de

Aus der WirtschaftsWoche 42/2007.