Montag, 22. Oktober 2007

"Super-Conduit": Von der Krise in die Katastrophe?

Während meines Urlaubs hat sich offensichtlich bei den Banken eine Idee breitgemacht, wie man weitere "faule Kredite" verhindern - bzw. besser: die negativen Auswirkungen selbiger auf die Banken - dämpfen könnte. Dazu wollen mehrere Banken einen sogenannten Super-Fonds / Super-Conduit mit einem Volumen von ca. 100 Mrd. Dollar auflegen, der in die SIVs der Banken investieren soll, die in der Vergangenheit in die wackligen Kredite investiert hatten.
Dadurch - so die Überlegung - wird wieder für Liquidität gesorgt. Ein Problem, was die Zweckgesellschaften momentan am meisten bewegt, denn sie bekommen für ihre riskanten Geschäfte aktuell nur sehr schwer bis gar keine finanziellen Mittel mehr.

Wie genau das funktionieren soll - und was für Risiken dabei entstehen, wurde vor ein paar Tagen in einem interessanten Artikel bei der ftd.de erklärt:

Wolfgang Münchau: Von der Krise in die Katastrophe
von Wolfgang Münchau
Mit ihrem Rettungsfonds werden die US-Großbanken die Verwerfungen an den Finanzmärkten nur eines erreichen: sie werden sie verschlimmern.

Derzeit lässt sich recht gut beurteilen, wie sich die gegenwärtige Kreditkrise weiterentwickeln wird. Der amerikanische Staat greift jetzt mit all seinen Ressourcen den US-Banken unter die Arme - er forciert die Einrichtung eines Superfonds, der die Subprime-Krise lösen soll.

Es ist interessant, sich die Details dieses zwischen 75 und 100 Mrd. $ schweren Kolosses anzusehen. Der Fonds soll in die Zweckgesellschaften der Banken investieren, die in der Vergangenheit riskante Wertpapiere aufkauften. Die Gesellschaften finanzierten sich über wertbesicherte Geldmarktpapiere. Sie investierten also langfristig und verschuldeten sich kurzfristig - das war schon immer ein gefährliches Spiel.

Die Zweckgesellschaften haben zum Beispiel besicherte Schuldverschreibungen gekauft, die durch zweitklassige amerikanische Hypotheken oder andere Kredite gedeckt waren. Dieser Markt ist im Sommer bekanntlich ausgetrocknet und mit ihm der Markt für kurzfristige Geldmarktpapiere, mit denen der ganze Zauber finanziert wurde. Diese Papiere sind schließlich durch nichts anderes abgesichert als durch diese mittlerweile teils wertlosen Schuldverschreibungen. Daher lösten die Probleme im einen Teil des Marktes Probleme im anderen aus. Die Zweckgesellschaften sitzen auf Schrott, den sie nicht loswerden. Sie müssen aber trotzdem ihre kurzfristigen Schulden bedienen. Es ist wie in einer klassischen Insolvenzkrise.

Die Idee des neuen Superfonds ist, den Teufelskreis sich gegenseitig ansteckender Finanzmärkte zu beenden, indem man an einer wesentlichen Stelle wieder für Liquidität sorgt. Wie soll das im Einzelnen funktionieren?

Der Fonds kauft den Schrott auf. Dabei ist allerdings nicht klar, zu welchen Preisen. Denn bei diesen Wertpapieren gibt es keinen liquiden Markt mehr, und somit können auch keine Preise gestellt werden. Der Fonds finanziert sich nun dadurch, dass er selbst Schrottpapiere emittiert, und zwar eben im Markt für wertbesicherte Geldmarktpapiere. Das heißt, dieser Fonds funktioniert genau wie die Zweckgesellschaften, die durch ihn gerettet werden sollen.

Da stellt sich eine weitere Frage: Der Markt für besicherte Geldmarktpapiere ist schließlich ausgetrocknet. Warum also sollte jemand dem Fonds Geld geben?

Der Trick ist, dass die großen US-Banken selbst für die kurzfristigen Anleihen geradestehen, wobei man sich allerdings die Frage stellen sollte, was eine Garantie zum Beispiel einer Citibank noch wert ist. Es ist zu vermuten, dass hinter diesen Bankgarantien am Ende einer langen Kette der amerikanische Steuerzahler steht. Die Idee ist, auf die beschriebene Weise das Vertrauen der Märkte wiederherzustellen. Wenn das Vertrauen wieder da ist, so das Kalkül der amerikanischen Finanzgenies, dann läuft die Sache wie von allein weiter.

Das Ganze erinnert an ein Pyramidenspiel: Geht der eine Fonds pleite, wird ein neuer aufgelegt, um den alten zu retten. Wenn der dann vor der Pleite steht, wird der nächste Fonds aufgelegt.

Kurzfristig mag dieses System sogar klappen. Ein Anzeichen dafür waren die fallenden Risikoprämien an den Kreditmärkten am Montag. Langfristig geht die Sache aber nicht gut. Die Probleme in den Kreditmärkten sitzen zu tief. Mit schlechten Hypotheken hat das nur oberflächlich etwas zu tun. Die waren nur der Auslöser der aktuellen Krise. Das wirkliche Problem ist, dass sich in allen Segmenten des Kreditmarkts, also auch bei besicherten Schuldverschreibungen für Firmenanleihen, Firmenübernahmen und Konsumentenkredite, ein Haufen Schrott angesammelt hat.

Gefährlich wird es deshalb im Markt für sogenannte Credit Default Swaps, mit denen sich die Käufer gegen Ausfälle von Schuldnern versichern. Die Preise dieser Versicherungen sind während der vergangenen Boomjahre drastisch gesunken, was bedeutet, dass die Marktteilnehmer immer risikofreudiger wurden. Wenn dieser Markt crasht, wird es zu starken Turbulenzen im internationalen Finanzsystem kommen, und es wird bei einigen großen Banken an die Substanz gehen. Ich schätze, das passiert innerhalb der nächsten zwei Jahre.

Bis zum Wechsel des US-Präsidenten Anfang 2009 wird die Administration von George W. Bush alles unternehmen, um ihre Freunde an der Wall Street zu unterstützen. Der jetzt organisierte Fonds ist die Notrettung bis vor Kurzem steinreicher Banken. In diesen Skandal ist auch die US-Notenbank Fed verwickelt, die trotz offensichtlicher Inflationsgefahren die Zinsen gesenkt hat. Diese hektischen Aktionen signalisieren den Marktteilnehmern, dass das Risiko zumindest bis zu Bushs Abgang begrenzt ist.

Ich glaube aber nicht, dass sich dieses Vabanquespiel in der Zeit danach weiter aufrechterhalten lässt. Der Krug geht so lang zum Brunnen, bis er bricht. Je länger man die unausweichliche Finanzkrise mit fragwürdigen Methoden wie dem US-Rettungsfonds hinauszögert, desto schlimmer werden die langfristigen Folgen. Die USA sind mit größter Freude dabei, aus einer Bubble eine Super-Bubble zu machen, also aus einer Krise eine Katastrophe. Wir Europäer sollten da besser nicht mitmachen.

Wolfgang Münchau ist FT- und FTD-Kolumnist. Er leitet den Informationsdienst Eurointelligence.com.