Sonntag, 28. Oktober 2007

SZ: "Deutschland im Inflationsfieber"

Gefunden bei der sueddeutsche.de.

Anmerken möchte ich hier noch, dass ich die Aussage "mit Schulden fährt man bei Inflation besser" für grob fahrlässig halte! Das man so etwas keinesfalls verallgemeinern kann, kann man in verschiedenen Artikeln im Netz nachlesen!

23.10.2007 17:39 Uhr
Kampf mit dem Preis
Deutschland im Inflationsfieber
Gold, Immobilien, Aktien - was Investoren und Verbraucher tun können, wenn die Preise steigen.
Von Helga Einecke

Das Leben in Deutschland wird teurer, und fast jeder spürt es: Die Preise für viele Waren und Dienstleistungen steigen drastisch, etwa für Butter, Brot und andere Lebensmittel, aber auch für Gas, Benzin und andere Energieträger. Der öffentliche Nahverkehr und Getränke in Gaststätten werden ebenfalls teurer. Bundesbankpräsident Axel Weber ist deswegen in Sorge: Er rechnet damit, dass die Inflationsrate bis zum Jahresende auf drei Prozent steigen wird - den höchsten Stand seit 1994.

Was ist Inflation? Das Wort "inflare" kommt aus dem Lateinischen und bedeutet aufblasen oder aufschwellen. Im Zusammenhang mit Preisen steht Inflation für Geldentwertung, Kaufkraftverlust oder Teuerung. Wenn es für den Euro weniger Waren und Dienstleistungen gibt, verliert das Geld an Wert. Die Bürger können sich mit ihrem Euro weniger kaufen, sie verlieren Kaufkraft und einen Teil ihrer Ersparnisse. Gemessen wird die Inflation mit einem Warenkorb, der gängige Produkte und Dienstleistungen enthält, etwa Ausgaben für die Miete, Benzin, Zeitungen, Kaffee oder Brot. Dieser Preisindex für die Lebenshaltung wird monatlich berechnet, und sein jährlicher Abstand ergibt die Inflationsrate. Sie erreichte im September 2,4 Prozent.

Warum klettern derzeit die Preise? Das hat mehrere Gründe. Die Nachfrage nach Energie, Nahrung und Futtermitteln steigt weltweit. Die Ölförderländer verlangen für ihren Rohstoff mehr und treiben so die Preise für Benzin, Heizöl und auch Gas. Milch, Butter, Käse, und Joghurt werden deutlich teurer. Auch der Staat langte zu: Er erhöhte Anfang diesen Jahres die Mehrwertsteuer und vorher schon die Energiesteuern.

Wer ist besonders betroffen? Die Rentner, die Sozialhilfe-Empfänger und generell die Geringverdiener. Je niedriger das Einkommen, desto größer ist der Anteil, den die Bürger davon für Nahrungsmittel ausgeben müssen. Auch auf Heizung und andere Energiequellen kann keiner verzichten. Die Sparer verlieren durch die Inflation einen Teil ihres Vermögens, das sie im Alter brauchen. Die Arbeitnehmer können sich am ehesten wehren, wenn sie als Ausgleich für die steigenden Preise einen Lohnzuschlag fordern.



Wer fährt mit Inflation besser? Alle, die Schulden haben oder Schulden machen. Denn die Geldentwertung zehrt nicht nur Spargelder, sondern auch Schulden auf. Die Schulden von einst verlieren relativ an Wert, wenn im Laufe der Jahre alle anderen Preise steigen.

Wie kann man sich vor Inflation schützen? Gegen höhere Preise bei Waren und Dienstleistungen hilft nur, auf den Konsum zu verzichten. Wer sein Vermögen erhalten will, kann sein Geld in andere Werte umschichten. Der Klassiker unter den sicheren Anlagen ist das Gold. Der jüngste Anstieg des Goldpreises lässt sich auch dadurch erklären, dass immer mehr Anleger in das Edelmetall geflüchtet sind.

Wer sich keine Barren in den Keller legen will, kann Goldmünzen erwerben oder Investmentfonds, die auf Goldminen spezialisiert sind. Ebenfalls beliebt in Inflationszeiten sind Immobilien, das so genannte Betongold. Auch hier können die Sparer auf Fonds setzen, die in Immobilien anlegen; sie und müssen nicht ganze Häuser oder Wohnungen kaufen. Rohstoffe aller Art, etwa Metalle, Energie, gelten ebenfalls als relativ inflationssicher. Selbst Aktien, also Investments in Firmen, unterliegen nicht zwangsläufig einem Werteverzehr.

Festverzinsliche Wertpapiere, Rentenfonds oder Spargelder werfen in Zeiten hoher Inflation dagegen eindeutig weniger ab. Denn die Geldentwertung schmälert die Rendite. Der Anleger sollte sein Augenmerk stärker auf die reale Wertsteigerung richten, also auf das prozentuale Plus abzüglich der Inflationsrate. Ein Beispiel: Wer eine zehnjährige Bundesanleihe kauft, bekommt jährlich 4,2 Prozent Zinsen.

Bei einer Inflationsrate von 2,4 Prozent bleiben davon real nur 1,8 Prozent hängen. Sollte die Inflationsrate dauerhaft auf über drei Prozent steigen, wird es entsprechend noch weniger. Aber die Finanzindustrie hat auch für Anhänger von festverzinslichen Papieren einen Ausweg parat. So gibt es inflationsindexierte Anleihen, deren Zinssatz mit den Preisen steigt. Auch der deutsche Staat gibt solche Anleihen aus, die im Fachjargon Euro-Linker heißen.

Was kann die Notenbank tun? Für die Bekämpfung der Inflation ist die Zentralbank zuständig, für Deutschland und den Euroraum also die Europäische Zentralbank . Die EU-Währungshüter wollen auf mittlere Sicht verhindern, dass die Verbraucherpreise um mehr als knapp zwei Prozent pro Jahr steigen. Seit dem Start des Euro hat die Europäische Zentralbank ihr Versprechen ziemlich gut eingehalten. Der jüngste Anstieg des Euro im Verhältnis zum Dollar hilft der Zentralbank dabei, die Inflation zu bekämpfen. Denn die meisten Rohstoffe werden in Dollar abgerechnet und können nun billiger importiert werden.

Um den Preisanstieg zu bremsen, erhöht eine Notenbank normalerweise die Zinsen. Das signalisiert den Firmen und den Tarifparteien: Finger weg von steigenden Preisen und Löhnen. Denn in Zeiten einer guter Konjunktur und ordentlicher Nachfrage - wie derzeit in Deutschland - fällt es den Unternehmen leichter, Produkte teurer anzubieten und dies auch durchzusetzen. Die Arbeitnehmer erstreiten im Aufschwung meist höhere Löhne, haben deshalb mehr Geld für Einkäufe und treiben so die Preise.

Was kann die Bundesregierung tun? Politiker sollten sich aus der Zinspolitik heraushalten, denn die Europäische Zentralbank ist unabhängig. Auch die Tarifparteien pochen darauf, dass sie autonom die Löhne aushandeln. Aber die Politiker können dafür sorgen, dass der Staat nicht selbst zum Preistreiber wird und die Abgaben und Steuern übermäßig heraufsetzt.

Das Ziel sollte ein inflationsfreies Wachstum sein; dieses beschert den Bürgern ein ausreichendes Einkommen und sichere Ersparnisse, den Firmen moderate Gewinne und der Staatskasse genug Einnahmen, um Sozialleistungen, Investitionen, Förderproramme und Staatsbedienstete zu bezahlen.

(SZ vom 24.10.2007)