Mittwoch, 19. Dezember 2007

KfW: sieht Rettungsaktion der IKB heute "kritisch"...

Ein interessantes Interview mit der KfW-Chefin Matthäus-Maier zum Thema IKB.
Das interessanteste Zitat aus diesem Interview dürfte sicher sein:

"Mit dem Wissen von heute über die eingetretenen Marktverwerfungen hätten wir die Rettungsaktion nicht gemacht."

denn über genau diese "Marktverwerfungen" wurde schon seit Monaten in diversen Blogs und Foren diskutiert!

Gefunden bei sueddeutsche.de:

16.12.2007 13:53 Uhr
Matthäus-Maier im Interview
IKB-Rettung wird für KfW noch teurer

Die Rettung der Mittelstandsbank IKB kommt die KfW noch teurer zu stehen als bislang bekannt. Rückblickend beurteilt KfW-Chefin Matthäus-Maier die Rettungsaktion im Gespräch mit der SZ kritisch.
Interview: Helga Einecke und Martin Hesse

SZ: Finanzminister Peer Steinbrück hat Bankmanagern Unfähigkeit vorgeworfen. Fühlen Sie sich angesprochen?

Matthäus-Maier: Nein, selbstverständlich nicht. Er hat zum Beispiel den ehemaligen IKB-Vorstand benannt, von dem vier Mitglieder gehen mussten, weil sie die Bank in den Sand gesetzt haben.

SZ: Warum ist der IKB-Vorstand dann noch nicht hinter Gittern?

Matthäus-Maier: Das kann ich nicht beurteilen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

SZ: Ist Steinbrück als Vorsitzender ihres Verwaltungsrats mit Ihnen persönlich ins Gericht gegangen, weil ein Drittel Ihres Eigenkapitals wegen der IKB im Feuer steht?

Matthäus-Maier: Warum sollte er? Nicht die KfW hat gezockt, sondern die IKB. Die KfW ist zusammen mit den anderen kreditwirtschaftlichen Säulen die Lösung des Problems, sie engagiert sich bei der Rettung der IKB.

SZ: Aber die KfW sitzt doch im Aufsichtsrat der IKB. Hat sie bei der Kontrolle versagt?

Matthäus-Maier: Wir sind der Sache sehr genau nachgegangen. Die Zweckgesellschaft Rhineland war nicht in der Bilanz. Es gab mehrere Sonderprüfungen, beantragt auch durch den Aufsichtsrat. Die Wirtschaftsprüfer lobten das Risikomanagement. Die Ratingagenturen bewerteten das ganze mit besten Noten. Außerdem hatte die KfW mit meinem Vorgänger Hans Reich, einen hervorragenden Banker im Aufsichtsrat. Und schließlich sagte der IKB-Chef noch Ende Juli, dass es keine Probleme gebe. Auch PWC hat den Aufsichtsrat in einem Gutachten entlastet. Ich sehe nicht, dass wir etwas anders hätten machen können oder müssen.

SZ: Es fällt auf, dass vor allem öffentliche Banken von der Kreditkrise betroffen sind.

Matthäus-Maier: Dem widerspreche ich deutlich. Die IKB ist eine private Bank. Wir haben mit unserem Anteil von 38 Prozent nicht mehr oder weniger Informationsrechte als andere Aktionäre. Wir haben diesen Anteil damals nur übernommen, weil wir dringlich gebeten wurden, den wichtigen Mittelstandsfinanzierer vor einer Zerschlagung durch eine ausländische Bank zu retten.

SZ: Was kostet das IKB-Debakel die KfW?

Matthäus-Maier: Ende Oktober wurde aufgrund der erheblichen Marktverwerfungen die Risikoeinschätzung bezüglich Rhineland aktualisiert und die bilanzielle Risikovorsorge für die KfW auf 4,95 Milliarden Euro erhöht. Darüber hinaus haben wir unsere 38-prozentige Beteiligung an der IKB um 400 Millionen Euro abgeschrieben.

SZ: Hätten Sie die Rettungsaktion mit Ihrem heutigen Wissen genau so gemacht?

Matthäus-Maier: Das ist schwer zu sagen. Mit dem Wissen von heute über die eingetretenen Marktverwerfungen hätten wir die Rettungsaktion nicht gemacht. Es ist aber müßig, darüber zu spekulieren, denn Ende Juli mussten wir innerhalb eines extrem kurzen Zeitraums eine Lösung finden, um Schaden von der IKB, der KfW und der Gesamtwirtschaft abzuwenden.

SZ: Was wäre die Alternative gewesen?

Matthäus-Maier: Bankenaufseher Jochen Sanio hätte das Moratorium über die IKB erklärt, die Bank wäre also zahlungsunfähig gewesen.

SZ: Und hätte damit nach Sanios Einschätzung die größte Bankenkrise seit 1931 ausgelöst. Kommen auf die KfW noch höhere Risiken zu?

Matthäus-Maier: Eine Prognose ist derzeit für alle Banken schwer. Es kann sein, dass es weniger wird als fünf Milliarden Euro, aber auch mehr, falls sich das Marktumfeld weiter verschlechtert. In dem Fall, dass noch weitere Risiken bei der IKB auftreten würden, müssten Maßnahmen ergriffen werden, an denen sich auch die anderen Anteilseigener der IKB beteiligen, die bisher geschont wurden.

SZ: Warum sollte eigentlich der Steuerzahler für die Verluste der IKB aufkommen, wenn es doch eine private Bank ist, wie Sie betonen?

Matthäus-Maier: Bislang zahlt der Steuerzahler weder direkt noch indirekt. Die KfW stemmt die Verluste aus ihrem über die Jahre angelegten Fonds für allgemeine Bankrisiken. Anders wäre das bei einer Bundesbürgschaft. Aber was meinen Sie, was auf den Steuerzahler zugekommen wäre, wenn wir im Sommer nicht so gehandelt hätten und es zu einer viel stärkeren Finanzmarktkrise gekommen wäre?

SZ: Apropos Bund und Steuerzahler: Wünschen Sie sich einen professionelleren Verwaltungsrat?

Matthäus-Maier: Der Verwaltungsrat ist professionell. Er hat alle Entscheidungen sorgfältig besprochen und genehmigt. Aber eine Telefonkonferenz mit 37 Mitgliedern ist schon schwierig. Die Schaffung eines Präsidial- und Prüfungsausschusses, wie angedacht, begrüße ich.

SZ: Müssen in den Verwaltungsrat mehr Banker, die etwas von den Niederungen der Bankbilanzen verstehen?

Matthäus-Maier: Es sind fünf Spitzenvertreter der deutschen Bankenwirtschaft in dem Gremium vertreten. Hätte einer dieser Verwaltungsräte aus Risikogesichtspunkten gegen irgendeine Entscheidung Bedenken, würde der Rest des Gremiums bestimmt nicht über dieses Votum hinweggehen.

SZ: Wann verkaufen Sie die IKB und an wen?

Matthäus-Maier: Wir streben an, die IKB unter Berücksichtigung aller Regularien zu verkaufen. Zunächst einmal muss endlich der Jahresabschluss 2006/2007 geändert, geprüft und fertiggestellt werden, wie von der IKB angekündigt. Für den Verkauf ist dann noch der neue Zwischenbericht erforderlich

SZ: Wann sind die Abschlüsse fertig?

Matthäus-Maier: Wir warten dringend auf sie.

SZ: Würden Sie einen bestimmten Käufer bevorzugen, etwa ein öffentlich-rechtliches Institut wie die WestLB?

Matthäus-Maier: Nein, es muss der richtige Käufer gefunden werden

SZ: Wie stark wird das KfW-Ergebnis belastet?

Matthäus-Maier: Das hängt davon ab, wie viele Verluste tatsächlich eintreten werden. Klar ist: Die KfW wird auch im nächsten Jahr eine hohe Förderleistung bringen, das ist das wichtigste.

SZ: Welche Lehren müssen die Banken aus der Kreditkrise ziehen?

Matthäus-Maier: Erstens sorgen schon die Rechnungslegungsstandards dafür, dass künftig viele solcher bei der IKB gefundenen Zweckgesellschaften auf die Bilanz genommen werden müssen. Transparenz ist ganz wichtig. Die Ratingagenturen sollten sich, zweitens, eine Selbstregulierung auferlegen. Es kann nicht sein, dass sie auf der einen Seite Finanzprodukte mitstrukturieren und sie auf der anderen Seite bewerten. Drittens werden auch die Wirtschaftsprüfer darüber nachdenken müssen, wie sie zu besseren Ergebnissen kommen. Schließlich haben sie Dinge testiert, hinter die man ein Fragezeichen setzen muss.

SZ: Was sind die Hauptursachen für die Kreditkrise?

Matthäus-Maier: Hellhörig macht, was den Problemen zugrunde liegt: Die exzessive Verschuldungskultur in den USA mit einer Sparquote nahe Null sollte nicht hier herüberschwappen. Es wird vieles ohne angemessenes Eigenkapital auf Pump gekauft, das hat die Krise mit zweitklassigen Hypothekenkrediten hervorgerufen. Eine konservative Finanzierung durch Kreditinstitute und Bausparkassen mit Festzinsen über einen bestimmten Zeitraum in Deutschland halte ich für besser – sowohl für Kunden als auch für das Kreditgewerbe.

SZ: Hat nicht auch die exzessive Verbriefung von Krediten, die Sie als KfW ja ebenfalls betreiben, also das Bündeln und der anschließende Verkauf von Krediten an Dritte, die Krise begünstigt?

Matthäus-Maier: Unsere Art von Verbriefungen auf keinen Fall, denn wir machen nur synthetische Verbriefungen, das heißt der Kredit selbst bleibt bei der Bank. Nur das Risiko wird weitergereicht. Diese Art von Verbriefung halte ich nach wie vor für sinnvoll. Allerdings hat die Nachfrage von Investoren auch nach diesen Finanzprodukten stark nachgelassen, weil „Verbriefung“ zu einem Unwort geworden ist. Wenn sich das nicht ändert, wird das auf Dauer die Fähigkeit der Banken, Kredite zu vergeben, einschränken. Richtig ist aber auch: Wer Risiken nicht einschätzen kann, sollte vorsichtig sein.

SZ: Hat die KfW wegen der Kreditkrise ihr Risikomanagement überprüft?

Matthäus-Maier: Natürlich, aber das Risikomanagement war schon lange vor Ausbruch der Krise sehr gut aufgestellt. Hierzu gehört auch unser gut aufgefüllter Fonds für allgemeine Bankrisiken, aus dem wir jetzt die IKB-Risiken auffangen. Wir beschäftigen etwa 100 Leute im Risikomanagement und Controlling.

SZ: Ist die KfW nicht Teil des Problems, weil sie mit verbilligten Krediten für den Mittelstand anderen Banken das Wasser abgräbt?

Matthäus-Maier: Dieser Vorwurf ist abwegig. Sie stellen damit das Prinzip einer Förderbank in Frage. Die KfW reicht ihre Kredite über die Banken aus, die für die Durchleitung der Kredite eine Marge bekommen.

SZ: Die Daseinsberechtigung einer Förderbank besteht doch im Eingreifen dort, wo der Markt versagt. Versagt denn der Markt im Mittelstand?

Matthäus-Maier: Ja. Je kleiner der Mittelständler, umso stärker ist das Marktversagen ausgeprägt und umso schwerer kommt er an Kredite. Die Banken schlagen sich keineswegs um Firmen, die weniger als eine Million Euro Jahresumsatz haben.

SZ: Politiker haben vorgeschlagen, sie sollten die Ipex-Bank verkaufen, die sie demnächst ausgliedern. Was würde das bedeuten?

Matthäus-Maier: Dann müssten wir unsere Förderleistung einschränken. Und das kann niemand fordern, dem an einer förderfähigen KfW gelegen ist.

SZ: Die KfW ist gewaltig gewachsen. Sie hat sogar das ERP-Sondervermögen übernommen, also das Erbe des Marshall-Plans, mit dem die Bundesrepublik nach dem Krieg aufgebaut wurde.

Matthäus-Maier: Wir gehen nicht durchs Land und schauen, ob wir etwas kaufen können. Ich darf darauf hinweisen, dass alle Übernahmen an uns herangetragen wurden. Anfang des Jahres haben wir zum Beispiel auf Bitten des Kanzleramtes einen Anteil an EADS übernommen, nicht anders war das bei der Deutschen Ausgleichsbank und den Platzhaltergeschäften an Post und Telekom.

SZ: Können Sie Politikern auch etwas abschlagen?

Matthäus-Maier: Wir prüfen immer nach bankmäßigen Gesichtspunkten, ob wir einspringen können.

SZ: Warum braucht ein reiches Land wie die Bundesrepublik Deutschland eine Förder- und Entwicklungsbank?

Matthäus-Maier: Weil wir Funktionen wahrnehmen, die aus Sicht der Politik nötig sind. Einzigartig ist nur die Größe der Bank. In anderen europäischen Ländern verteilen sich unsere Aufgaben auf mehrere Institute. Unsere Größe hat aber große Vorteile, denn die verschiedenen Bereiche befruchten sich gegenseitig mit Know-how und schaffen Synergien. Wir sind zum Beispiel der größte Mikrofinanzierer der Welt und waren die ersten, die Mikrokredite verbrieften. Umgekehrt haben wir in Deutschland Mikrofinanzfonds für kleine Mittelständler aufgelegt.

SZ: Wie hat sich das Geschäft der KfW in diesem Jahr denn entwickelt?

Matthäus-Maier: Ich bin schon ein bisschen betrübt, dass das Thema IKB unser eigentliches Geschäft so überlagert. 2007 dürfte das erfolgreichste Jahr unserer Geschichte werden. Wir haben bis Ende November bereits 71 Milliarden Euro ausgereicht, davon 61 Milliarden Euro Kreditzusagen, der Rest sind synthetische Verbriefungen. Wir sind weltweit einer der größten Financiers von erneuerbaren Energien. Außerdem haben wir Großprojekte wie die Übernahme von EADS-Anteilen gestemmt. Das alles kann sich sehen lassen.

SZ: Sind sie auch stolz darauf, dass Sie laut US-Magazin Fortune zu den 50 mächtigsten Frauen außerhalb der USA gehören?

Matthäus-Maier: Nein. Wenn mir das IKB-Thema erspart geblieben wäre, hätte ich auf dieses Ranking gern verzichtet.

SZ: Was ist Ihre persönliche Lehre aus der Kreditkrise?

Matthäus-Maier: Dass das bittere Stunden sind für jemanden, der seine Aufgabe eigentlich in nachhaltiger Förderung und effizientem Banking sieht.

(SZ vom 17.12.2007/beu)