Dienstag, 4. Dezember 2007

Immobilienkrise: "Das Schlimmste kommt noch".

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30.11.2007 07:00 Uhr
Die verlorene Wette

Die Banken hatten mit ständig steigenden Häuserpreisen gerechnet - jetzt bekommen sie die Quittung. Experten befürchten eine Weltwirtschaftskrise "wie in den dreißiger Jahren"
Von Claus Hulverscheidt

Wenn jemand weiß, dass Politiker jedwede Aussage zur Entwicklung an den Weltfinanzmärkten sorgfältig wägen sollten, dann ist es Lawrence Summers. Während seiner Zeit als Finanzminister Bill Clintons reichte oft ein einziger Satz von ihm, um die Kurse an den Aktien- oder Devisenbörsen in die Höhe schießen zu lassen oder aber auf Talfahrt zu schicken.

Vielen Finanzministern, auch den deutschen, passierte Ähnliches, meist zu Beginn ihrer Amtszeit: "Herr Minister, Sie haben gerade aus Versehen den Dollar versenkt", ist einer der Sätze, die Theo Waigel ebenso zu hören bekam wie Hans Eichel oder Peer Steinbrück. Das prägt.

Das Schlimmste kommt noch
Umso mehr horchen die Kapitalanleger in aller Welt auf, wenn einer der Herren plötzlich Klartext redet - selbst Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Amt. In einem Beitrag für die englische Zeitung Financial Times schrieb Lawrence Summers diese Woche, er halte die Krise am amerikanischen Immobilienmarkt für so gravierend, dass "die Negativfolgen noch über das Ende des Jahrzehnts hinaus spürbar bleiben" könnten.

Die Sorge scheint berechtigt zu sein: Noch vor Wochen sah es so aus, als würden die Verluste im Geschäft mit US-Hypothekendarlehen geringer Bonität zwar die Bilanzen einiger Banken ramponieren, nicht aber die Weltwirtschaft insgesamt beeinträchtigen.

Nach immer neuen Enthüllungen, neuen Wertberichtigungen und neuen Verlusten der Finanzhäuser aber glaubt kaum noch jemand an diese optimistische Variante. Im Gegenteil: Viele Experten fürchten nun, dass das Schlimmste noch bevorsteht.

Nach Schätzung von Fachleuten werden die Banken in aller Welt zwischen 300 und 500 Milliarden Dollar verlieren, weil sie sich - vereinfacht gesagt - mit Wettgeschäften auf immer weiter steigende Häuserpreise in den USA verspekuliert haben. Bis heute haben die großen Kreditinstitute aber lediglich Ausfälle von insgesamt rund 50 Milliarden Dollar eingestanden. Das heißt nichts anderes, als dass bislang erst die Spitze des Eisbergs zu sehen ist.

Für diese These spricht, dass die Banken erst Geschäftszahlen bis Ende August oder Ende September vorgelegt haben. Seither hat sich die Krise aber weiter verschärft. Zudem stehen den amerikanischen Immobilienbesitzern im ersten Quartal 2008 kräftige Zinserhöhungen bevor. Viele von ihnen werden ihre Kredite dann nicht mehr bedienen können.

Damit kommt ein Kreislauf in Gang, der sich zunehmend selbst beschleunigt: Die Zahl der Zwangsvollstreckungen, die schon 2007 bei 1,35 Millionen liegen wird, steigt, der Wert der Häuser und der damit abgesicherten Wertpapiere sinkt weiter. Summers zum Beispiel verweist auf Prognosen, nach denen die Immobilienpreise in den nächsten Jahren USA-weit um 25 Prozent fallen könnten. Schon gibt es Befürchtungen, dass viele Amerikaner nach ihren Häuserkrediten als nächstes ihre Auto-Darlehen nicht mehr werden bedienen können.

Das jedoch ist nicht der einzige Punkt, an dem der Funke von der Finanz- auf die sogenannte Realwirtschaft überspringen könnte. Der Wertverlust ihrer Häuser zwingt schon heute viele US-Bürger dazu, ihre Konsumausgaben einzuschränken. Das trifft nicht nur die heimische Industrie, sondern auch die Hersteller im Ausland, also unter anderem die exportorientierten deutschen Unternehmen.

Zugleich sind die Banken in den Vereinigten Staaten wie anderswo gezwungen, Risikorückstellungen für mögliche Verluste im US-Hypothekengeschäft zu bilden. Damit wird Geld gebunden, das eigentlich für die Kreditvergabe an die Industrie vorgesehen war.

Rettungsanker Staatsfonds
Weil weniger Mittel zur Verfügung stehen, werden Darlehen teurer und Investitionen für die Unternehmen unattraktiver. Zudem leihen sich die Banken auch untereinander kaum noch Geld, weil jeder an der Kreditwürdigkeit des anderen zweifelt.

Zu den wenigen Hoffnungsträgern zählen derzeit ausgerechnet Staatsfonds aus den arabischen Ländern und China, die im Westen bislang als mögliche trojanische Pferde ihrer Regierungen galten. So stieg die staatliche Investmentgesellschaft Abu Dhabis mit 7,5 Milliarden Dollar bei der größten amerikanischen Bank, der Citigroup, ein.

Der US-Ökonom Michael Burda von der Berliner Humboldt-Universität ist trotz solcher Hoffnungsschimmer noch pessimistischer als Summers. Er befürchtet eine Weltwirtschaftskrise "wie in den dreißiger Jahren". Da hilft es auch nicht, dass es neben den vielen Verlierern der aktuellen Krise auch eine Handvoll Gewinner gibt: Der erst vor einem Jahr aufgelegte Hedge-Fonds Lahde Capital etwa wettete konsequent auf sinkende US-Häuserpreise. Rendite: 1000 Prozent.

(SZ vom 30.11.2007/sho)