Mittwoch, 5. Dezember 2007

Deutsche Bank: "Aus Mangel an Beweisen"

Im Post "Deutsche Bank: Probleme mit Zwangsversteigerungen" hatte ich auf die Probleme der Deutschen Bank mit diversen Zwangsversteigerungen in den USA hingewiesen. Nun gibt es dazu nochmal einen deutschen Artikel bei instock.de:

Aus Mangel an Beweisen
Von Bill Bonner

Mutter Natur ist ein vernichtender Richter. Aber wie steht es mit dem amerikanischen Bundesgericht? Mr. C.A. Boyko hat kürzlich einen Schuß abgefeuert, der „um die Welt ging”. Zumindest um die Welt der strukturierten Finanzierungen der Deutschen Bank, die zuletzt eine Kugel in den Kopf erhielt. Die arme Deutsche Bank ist ein Opfer ihrer eigenen Habsucht... ihrer eigenen Dummheit... und der Zyklen der Natur. Das ist kein Grund, sich zu schämen. Im Krieg wird auch den besten Soldaten das Gehirn herausgepustet. In der Finanzwelt erledigen sie das selbst.

Ehe sie den Auslöser betätigten, war der Richter neugierig… eine Neugierde, die zweifellos von Millionen geteilt wird. Er wollte ein fortschrittliches Derivatprodukt aufbrechen – ein hypothekarisch gesichertes Wertpapier – und herausfinden, was dahinter steckte. In diesem Fall mußte er feststellen, daß etwas fehlte, die strukturierten Finanzierungen waren nicht ganz so strukturiert, wie sie vorgaben zu sein.

Hier entfaltet sich die Geschichte einer Kreditschrumpfung. Der Protagonist ist weder ein Financier noch ein Ökonom. Es ist ein amerikanischer Bundesrichter. Und Thema in seinem Gerichtssaal war, ob die Deutsche Bank Tochter, die National Trust Company, in der Gegend um Cleveland 14 Häuser wieder in Besitz nehmen konnte. Der erste Teil des Verfahrens in einem Gerichtssaal beginnt immer mit einem “whereas”. „Whereas“, die Hausbesitzer in ihren Häusern mit Hypotheken wohnen, sagten die Rechtsanwälte. Und „whereas“, die besagten Hausbesitzer ihre Zahlungen nicht gemacht hatten. Und „whereas“ die Deutsche Bank de facto der Besitzer der Hypotheken ist, fuhr die Präambel fort – wünscht besagte Bank die 14 Anwesen zur Zwangsvollstreckung zu bringen.

An dieser Stelle füge ich selbst noch einige weitere „whereas“ ein. „Whereas“, es allein in den Vereinigten Staaten hypothekarisch gesicherte Wertpapiere im Wert von ungefähr 6,5 Billionen Dollar gibt. Und „whereas“, die Teufelskerle, die diese Hypotheken verbrieft haben das so schnell und locker handhabten wie Leichenbestatter in Pestzeiten. Und „whereas“, man die Standards der Kreditwürdigkeit... und die Details der Hypotheken selbst... so entgleiten ließ. Und „whereas“, die ganze Idee darin bestand, hohe Gebühren dafür zu nehmen, daß man die Leute mit Schulden belädt und gleichzeitig das Risiko, zu verlieren, an die Naiven, die Langsamdenker und die Ungeborenen weiterreicht. Und „whereas“ man heute davon ausgeht, daß die Verluste insgesamt irgendwo zwischen 150 Milliarden und 400 Milliarden Dollar liegen werden... und laut Goldman Sachs bei bis zu 2 Billionen Dollar abhanden gekommener Kredite... und „whereas“ jeder, der noch einen winzigen Rest Verstand hat, weiß, daß man mit der Hölle bezahlt, wenn sich der Kreditzyklus wendet...
... ist es gut möglich, daß dieser Fall deutlich größer ist, als den Leuten bislang bewusst ist.

Richter Boyko selbst zeigte kein besonderes Interesse an den makroökonomischen “whereas“. Was er wissen wollte war: „Wo sind die Unterlagen der Hypotheken? Es mag ja stimmen, daß diese Leute Ihnen Geld schulden, sagte er, aber wir nehmen niemandem ohne gültige Hypothekenverträge sein Haus weg. Zumindest nicht im souveränen Bundesland Ohio.“

Die Mitglieder des juristischen Teams der Deutschen Bank sahen einander an. Dann sahen sie in ihre Aktenordner. Die Rechtsanwälte hatten sehr viele Dokumente, darunter einige, die deutlich eine „Absicht zeigten, die Rechte der Hypotheken zu übertragen“. Doch sobald es um die Hypotheken selbst ging, hatten sie nichts vorzuweisen. Auch damit bildet die Deutsche Bank kaum eine Ausnahme. Eine Juraprofessorin untersuchte jüngst die Gerichtsverfahren zu Zwangsvollstreckungen und stellte fest, daß in 40 Prozent der Fälle die Kreditgeber die entscheidenden Dokumente entweder nicht beibrachten oder nicht beibringen konnten, die ihnen das Recht gaben, die Häuser zurückzunehmen.“

Offensichtlich hatten die Finanzvermittler, die diese 14 Hypotheken gebündelt hatten – zusammen mit Tausenden anderen – um daraus ein SIV (Structured Investment Vehicle) zu bauen, das von der Deutschen Bank gekauft wurde, versäumt, dabei auch die tatsächlichen Dokumente über die Hypotheken mitzuliefern. Sie haben alles von oben bis unten abgesucht und konnten sie nicht auffinden. Vor einem Jahr hätte das kaum etwas ausgemacht. In den ersten sechs Jahren des Jahrhunderts expandierten die Kredite. Die Hypothekenunternehmen verdienten Gebühren, indem sie das Geld an Leute verliehen haben, die es nicht zurückzahlen konnten. Dann haben die gerissenen Kreditgeber die Hypotheken an die Firmen der Wall Street verkauft, die sie gebündelt haben und dann in handelsfähige Wertpapiere verwandelt, die durch komplexe mathematische Modelle abgesichert waren, die zeigten, was sie wert sein sollten. Diese wurden dann von Unternehmen wie beispielsweise Fitch and Moodys eingestuft – auch das wieder gegen Gebühren – und dann an Leute verkauft, die nicht wußten, was in ihnen steckte, wobei große Prämien für die Financiers entstanden. Das war das Schöne an den verbrieften Schulden, das Geld wurde in der Mitte gemacht, während die Sorgen zu beiden Seiten herausgedrängt wurden. Allem, was die Mathematiker sagen, zum Trotz, würden die Kreditnehmer früher oder später mit weniger Geld dastehen. Genauso die Kreditgeber. Die Vermittler aber würden die Nase vorn haben. Im Grunde genommen war der Stab an beiden Enden kurz und nur in der Mitte lang. In diesem Falle hielt die Deutsche Bank eines der kurzen Enden in der Hand, weil sie die SIV gekauft hatten und davon ausgegangen war, daß sie die Nutznießer besagter Hypotheken sein würden, so wie sie waren. Und an diesem Punkt hat Judge Boyko den Zauber gebrochen: “Die Institutionen scheinen die Einstellung zu haben, daß nur, weil sie es schon so lange ungehindert auf diese Weise praktiziert haben, diese Praxis heute praktisch einer gesetzlichen Verfahrensweise entspricht. Aber wenn sie irgendwann hinterfragt werden, dann zwingen ihre schwachen gesetzlichen Argumente das Gericht, einen Riegel vorzuschieben.“

Dafür sind die Korrekturen natürlich da – um die anmaßenden Erneuerungen des Bullenmarktes zu testen. SIV im Wert von Billionen von Dollar wurden an die Investoren abgegeben, basierend auf einer zweifelhaften Rechnung, schwammigen Versprechungen und einer dämlichen Logik. Jetzt werden sie vor Gericht gestellt – in Gerichtssälen und an den Märkten. Einige werden am Galgen enden. Viele mehr hätten es vermutlich verdient.


Bill Bonner schreibt als US-Korrespondent für den kostenlosen Newsletter "Investor's Daily". Weitere Informationen finden sie hier.

[04.12.2007 10:37:55]