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Nachricht vom 08.12.2007 | 11:28
Planwirtschaft in den USA – fatal!
US-Präsident Bush hat angekündigt, den Kreditnehmern im nächsten Jahr durch ein Zahlungsmoratorium über 5 Jahre durch die Streichung der Gleit-Zinsregelung für US-Hypos unter die Arme zu greifen, wohl auch um eine drohende US-Rezession im letzten Präsidentschaftsjahr zu verhindern. Im nächsten Jahr müssen 2 Mio. Personen in den USA mit einem Volumen von 500 Mrd. USD und in England 1,5 Mio. Hypothekenkredite neu ausgehandelt bzw. zu neuen Konditionen prolongiert werden, wobei nur ein Teil davon „notleidend“ ist bzw. wird. Dies ist aber ein Eingriff des Staates, der planwirtschaftliche Züge hat und zudem die „ABS“, also strukturierte Kreditprodukte, im nächsten Jahr noch mehr in Bedrängnis bringt. Hätte dieses Putin vorgeschlagen, hätten wieder alle mit erhobenen Zeigfinger eine fehlende Marktwirtschaft angemahnt, die den freien Wettbewerb behindere.
Während in Russland die Liberalisierung wesentlicher Märkte wie der Telekom- und Energiemarkt voranschreitet, muss ausgerechnet das - angebliche - Musterland der Demokratie und Marktwirtschaft auf dirigistische Weise in den Kreditmarkt einschreiten, um eine Mega-Krise im Bankenmarkt zu begegnen. Es ist aber zweifelhaft, ob dies die richtige Maßnahme ist, auch wenn kurzfristig die Weltbörsen positiv auf dieses „Horrormeldung für die Kreditmärkte“ reagierten. Gerade strukturierte Produkte werden darunter leiden und auch Hedgefonds, die sie benutzen. Wir werden also die gleichen Themen wie in 2007 in verstärkter Form in 2008 wieder auf den Tisch bekommen. Es wird im nächsten Jahr aber weniger um den Abschreibungsbedarf bei US-Hypos und ABS gehen, sondern um das „Eingemachte“, nämlich Konsumentenkredite im Volumen um 15 Billionen USD. In den nächsten Tagen werden einige Großbanken wohl noch einmal einen erhöhten Abschreibungsbedarf für die US-Hypos und ABS melden. Auch werden schlechte Zahlen für das US-BSP erwartet. Da dies aber erwartet wird, wird es keinen Schock mehr auslösen. Die Aktienmärkte sind aber schon wieder auf einem Niveau (DAX bei 8000, Dow Jones bei 13.600 Indexpunkten), wo es keine US-Bankenkrise zu geben scheint. Insofern sind die Märkte auch weiterhin verwundbar und werden weiterhin volatil reagieren.
Die Anleger sind sich anscheinend noch gar nicht bewusst, dass so ein Zahlungsmoratorium zu einer Verschärfung der Liquiditätsrisiken im ohnehin angeschlagenen ABS-Markt führen wird, denn dadurch fehlen die Cash-Flows durch die Zinsen, mit denen die Emittenten der verbrieften Kreditpakete gerechnet haben. Ich sehe ohnedies für viele Großbanken im nächsten Jahr schwere Zeiten aufgrund notleidender Konsumentenkredite zukommen. So sehe ich ebenso wie der Chef von JP Morgan eine Fusionswelle auf uns zukommen, wobei eine Reihe von Zwangsfusionen anstehen wird. Vielleicht kauft JP Morgan auch selbst die Citibank, die nun preiswert zu Tiefstkursen zu haben ist. Mergergerüchte wirken auf der anderen Seite kurzfristig kurstreibend wie zuletzt bei der Postbank, was neue Trading-Chancen eröffnet. Einige Banken werden jetzt mit einem KGV von unter 8 bewertet, was Klein- und Groß-Investoren anlockt. So war auch der Rettungsdienst der Araber bei der Citibank verständlich. Derartige Rettungsaktionen werden wir auch in 2008 erleben. Das Volumen der US-Konsumtenkredite beträgt schon 15 Billionen USD. Wenn davon nur 10% davon notleidend werden, fehlen den Banken 1,5 Billionen USD- Dollar. Insofern ist sehr darauf zu achten, wie sich der Konsum jetzt in den USA entwickelt. Das US-Konsumentenvertrauen ist auf dem tiefsten Stand der letzten 2 Jahren.
Zudem sollen im nächsten Jahr durch einen Credit Crunch im nächsten Jahr 2 Billionen US-Dollar weniger zur Verfügung stehen, was weltweit zu einer Konjunkturverlangsamung führen könnte. Noch haben die Unternehmen weltweit genug Geld, um sich aus dem eigenen Cash Flow zu finanzieren. Im Falle einer US-Rezession würde sich das aber schnell ändern. Die chinesische Notenbank will ohnehin bremsen, um eine Überhitzung der Konjunktur zu vermeiden. Negativ von einem Credit Crunch betroffen könnten aber auch hoch geleveragte Unternehmen und auch Banken mit hohen Fremdwährungsanleihen in Emerging Markets. So haben Banken in Kasachstan über 4 Mrd. USD aufgenommen, die im nächsten Jahr zu schlechteren Konditionen prolongiert werden müssen. Um nicht selbst in Liquiditätsschwierigkeiten zu kommen, geben die kasachischen Banken keine Kredite mehr, was zu einer Halbierung des BSP-Wachstums von 10 auf 5% im nächsten Jahr führen kann. Die kasachische Notenbank hat jetzt 1,7 Mrd. USD als Liquiditätspuffer bereitgestellt. Insofern kamen die kasachischen Banken zu Recht unter Kursdruck, obwohl die Zahlen für das 3. Quartal noch gut aussehen. Dieses Phänomen gibt es jetzt aber weltweit: extrem niedrige Bankenbewertungen stehen extrem hohe Liquiditätsrisiken gegenüber.
Eine ähnliche Krise gibt es auch im baltischen Bankenmarkt, wo keine Bank mehr Kredite vergeben will. Auch in Lettland gibt es eindeutig eine Immobilienblase, der durch finanzstarken Russen verursacht wurde. Auch dieser Bubble könnte in einer Krise enden. Die baltischen Aktien verloren in den letzten Wochen schon erheblich an Wert.
In Russland wird schon lange vor einer drohenden Liquiditätskrise gewarnt, wobei die Rekordgewinne in 2007 wieder eine andere Sprache sprechen. Es ist nicht einfach für die Anleger, hier die richtige Richtung rechtzeitig vorauszuahnen. Ich empfehle zumindest bei Finanztiteln immer noch eine defensive Strategie, auch wenn die Anleger durch die wenig sinnvolle Bush-Hilfe zu einer Jahresendrallye tendieren. Der Markt könnte auch auf eine Zinssenkung der FED am 18. Dezember spekulieren, was aber wiederum auch nur ein zweischneidiger Rettungsschritt wäre, da dies die Inflation weltweit anheizt.
Die Inflation ist jetzt weltweit wieder ein Thema. Auch in Deutschland steh wieder eine 3 vor dem Komma, was der EZB Sorgen bereitet. So hat die tschechische Notenbank schon die Zinsen erhöht, um der Inflation zu begegnen. Ebenso müssten jetzt eigentlich die ukrainische und russische Notenbank verfahren, da hier die Inflationsraten in den zweistelligen Prozentbereich gestiegen sind (in Russland auf 13%). Ich rechne daher weiter mit steigenden Gold- und Silbernotierungen, wobei einige Industriemetalle wie auch Kupfer aufgrund der drohenden US-Rezession und weniger US-Hausbauten sinken könnten.
Es bleibt abzuwarten, ob ein „Decpoupling“, also ein Abkoppelung der Emerging Markets und der Ostbörsen aufgrund der Eigendynamik und hohen Wachstumsraten gelingen kann, wenn neue Hiobsbotschaften aus den USA kommen. Sicherlich ist China jetzt die Welt-Konjunktur-Lokomotive und löst damit die USA ab. Der Kapitalmarkt schaut dennoch in erster Linie auf die Wall Street, weil dort das meiste Kapital versammelt ist. Die Börsen in Südosteuropa brachen zuletzt auch aufgrund des nicht gelösten Kosovokonfliktes förmlich ein, erholten sich dann aber auch wieder schnell. Auch in Zukunft ist mit hoher Volatilität zu rechnen. Immerhin sind Ende des Jahres die Schranken an den Grenzen bei den neuen EU-Beitrittsländern weg, womit Europa an Russland angrenzt. Auch daran müssen wir uns erst gewöhnen: Osteuropa ist Europa – und nicht mehr der „Ostblock“!
TV-Hinweise: die letzten TV-Interviews vom Autor über Russland in N24 vom 3.12.07 können Sie sich im Internet runterladen unter www.n24.de/boerse (dort unter Investment-Videos) und über die Ostbörsen im DAF vom 7.12.07 unter www.anleger-fernsehen.de in DAF Q&A Global. Die Sendung Q & A Global mit dem Interview des Autors ist in DAF zu sehen am Montag, 10.45 Uhr, 20.45 Uhr; Dienstag, 12.45 Uhr; Mittwoch, 17.45 Uhr; Freitag, 14.45 Uhr, 18.45 Uhr.
Autor: Andreas Männicke
Andreas Männicke ist Geschäftsführer der ESI East Stock Informationsdienste GmbH (www.eaststock.de), Herausgeber und Chefredakteur des EAST STOCK TRENDS, freier Mitarbeiter vom Emerging Markets Portal und Berater für Vermögensverwalter im Bereich Osteuropa. Er hat eine über 15 jährige Erfahrung mit den aufstrebenden Kapitalmärkten in Osteuropa und ist ein gefragter Interviewpartner in den Medien (u.a. bekannt aus NTV/Telebörse, N24, 3 SAT Börse, Bloomberg TV).
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