Anbei ein interessantes Interview mit Arndt Kalkbrenner vom Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) - u.a. zum Thema "Nachschusspflicht von Mitgliedern im Falle einer Insolvenz".
Gefunden bei Telepolis (Hervorhebungen von mir hinzugefügt):
Eigentümerkontrolle oder verselbständigtes Management?
Peter Mühlbauer 19.12.2007
Interview mit Arndt Kalkbrenner vom Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken
Die Skandale um die IKB Deutsche Industriebank und die Landesbanken in Sachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg haben ans Licht gebracht, was in der Bevölkerung bisher wenig bekannt war: dass auch Banken außerhalb des Privatsektors sich über Auslandstöchter in erheblichem Ausmaß an hochriskanten Spekulationsgeschäften beteiligten und beteiligen. Aus diesem Anlass fragt sich derzeit so mancher Bankkunde, wie er herausfinden kann, was seine Bank mit seinem Geld eigentlich so treibt. Bei Privatbanken und Sparkassen gibt es hier kaum Möglichkeiten – aber bei Genossenschaftsbanken sind die Verbraucher gleichzeitig auch Eigentümer der Bank. Doch wie können sie ihre Informations- und Kontrollrechte in der Praxis geltend machen? Wir befragten dazu Arndt Kalkbrenner vom Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR).
Herr Kalkbrenner - in letzter Zeit machte unter anderem die Volksbank Lauenburg dadurch auf sich aufmerksam, dass zweifelhafte Geschäfte in potentiell existenzgefährdendem Ausmaß ans Licht kamen. Und in Fernsehdokumentationen über Albanien sahen viele Zuschauer das vertraute Pferdekopfsymbol in den dortigen Straßen. Wie erfährt der Kunde - beziehungsweise das Genossenschaftsmitglied - wo seine Bank investiert?
Arndt Kalkbrenner: Informationen über Art und Höhe der Anlagen einer Genossenschaftsbank können die Kunden dem jährlich zu erstellenden Geschäftsbericht der Bank entnehmen. Darüber hinaus haben die Mitglieder einer Genossenschaft die Möglichkeit, in der Generalversammlung von Vorstand und Aufsichtsrat ausführlichere Auskünfte zu einzelnen Gegenständen der Tagesordnung zu verlangen. Im Vorhinein erfolgt eine Information über einzelne Eigenanlagen der Bank jedoch nicht; auch braucht eine Bank Eigenanlagen mit ihren Mitgliedern im Vorhinein grundsätzlich nicht abzustimmen.
Was passiert, wen das auf einer Jahresversammlung angesprochen wird?
Arndt Kalkbrenner: Die Mitglieder einer eG haben ein Auskunftsrecht über Angelegenheiten der Genossenschaft, soweit die Auskunft zur Meinungsbildung oder zur ordnungsgemäßen Erledigung von Tagesordnungspunkten erforderlich ist. Gegenstand des Auskunftsrechts können tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse der Genossenschaft, die Tätigkeit des Vorstands oder Aufsichtsrats oder auch persönliche Angelegenheiten von Organträgern sein, soweit die Auskunft der Meinungsbildung im Rahmen der Zuständigkeit der Generalversammlung dient. Inhaltlich muss die Auskunft einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft entsprechen. Teilweise dürfen Vorstand und Aufsichtsrat die Auskunft allerdings auch verweigern, wenn nämlich – beispielsweise aufgrund des Bankgeheimnisses oder aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes – das Geheimhaltungsinteresse der Genossenschaft höher als das Interesse des Berechtigten an der Auskunft ist. Fragen zur Geschäftspolitik der Bank bei der Vornahme von Eigenanlagen dürften normalerweise jedoch im Detail beantwortet werden.
Wie wird denn der Vorstand bestellt?
Arndt Kalkbrenner: Vorstandsmitglieder einer Kreditgenossenschaft werden meist durch den Aufsichtsrat bestellt. Dies sieht die Satzung der allermeisten Volksbanken und Raiffeisenbanken vor. Mit der Bestellung durch die Generalversammlung wird die Position als Organ der Genossenschaft begründet. Das hiervon abzugrenzende Anstellungsverhältnis – also das dienstvertragliche Verhältnis zwischen dem Vorstandsmitglied und der Genossenschaft – wird begründet, wie dies allgemein üblich ist; also durch Bewerbung auf eine vakante Stelle und Auswahl des Kandidaten durch das hierfür zuständige Organ, hier den Aufsichtsrat.
Welche Möglichkeiten hat das einzelne Genossenschaftsmitglied, Einfluss auf die Zusammensetzung des Vorstandes und des Aufsichtsrates zu nehmen?
Arndt Kalkbrenner: Genossenschaftsmitglieder können in der Generalversammlung Einfluss auf die Zusammensetzung von Vorstand und Aufsichtsrat nehmen. Die Mitglieder des Vorstands können, sofern die Satzung nichts Anderes regelt, durch die Generalversammlung abberufen oder aus der Genossenschaft ausgeschlossen werden. Die Generalversammlung ist meist auch das zuständige Organ, das über die fristlose Kündigung von Mitgliedern des Vorstands zu entscheiden hat. Außerdem kann die Generalversammlung über die Führung von Prozessen gegen im Amt befindliche und auch ausgeschiedene Vorstandsmitglieder entscheiden. Die Mitglieder des Aufsichtsrats werden durch die Generalversammlung gewählt, sodass eine unmittelbare Einflussnahme durch entsprechende Stimmabgabe möglich ist.
Und welche Einflussmöglichkeiten haben die einzelnen Genossenschaftsmitglieder auf die Neuberufung der Nachfolger?
Arndt Kalkbrenner: Die Kompetenz zur Bestellung der Vorstandsmitglieder ist in den Satzungen der meisten Kreditgenossenschaften dem Aufsichtsrat zugewiesen. Eine unmittelbare Mitwirkung der Mitglieder an der Bestellung der Mitglieder des Vorstands scheidet daher aus. Allerdings kann der Aufsichtsrat in der Generalversammlung zur Rechenschaft über die Bestellung der Vorstandsmitglieder aufgefordert werden.
Da die Aufsichtsratsmitglieder einer Genossenschaft durch die Generalversammlung gewählt werden, können die Mitglieder auf die Neubesetzung des Gremiums unmittelbar Einfluss nehmen. Jedes Mitglied einer Genossenschaft hat das Recht, Kandidaten für den Aufsichtsrat – auch sich selbst – zur Wahl vorzuschlagen. Außerdem ist die Einflussnahme auf die Besetzung des Aufsichtsrats durch entsprechende Stimmabgabe möglich.
Manche Genossenschaften veranstalten schriftliche Wahlen mit Wahllisten. Da bekommen dann die einzelnen Mitglieder eine Wahlliste zugeschickt und können die per Post oder bei ihrer Filiale abgeben. Ist das die Ausnahme?
Arndt Kalkbrenner: Es dürfte nur wenige Genossenschaftsbanken in Deutschland geben, die die Kompetenz zur Einstellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern nicht auf den Aufsichtsrat übertragen haben. Auch unsere Mustersatzung sieht die Übertragung der Kompetenz auf den Aufsichtsrat vor.
Im Falle der Insolvenz einer Genossenschaftsbank haftet der Verbraucher nicht nur mit der von ihm eingezahlten Einlage, sondern durch die so genannte "Nachschusspflicht" auch darüber hinaus. Wie kann der Bankkunde erfahren, zu wie viel er im Ernstfall herangezogen wird?
Arndt Kalkbrenner: Das steht in der Satzung. Diese Nachschusspflicht ist bei den Banken üblicherweise gedeckelt. Nur: zu so einer Inanspruchnahme kommt es ja wegen der Sicherungseinrichtung des BVR nicht. Die Sicherungseinrichtung des BVR gewährt eine Institutssicherung, keine Einlagensicherung. Es ist also - solange die Sicherungseinrichtung besteht - tatsächlich nicht möglich, dass eine Genossenschaftsbank insolvent wird.
Aber das einzelne Mitglied hat gegen die Sicherungseinrichtung keinen Rechtsanspruch auf die Haftung für seine Nachschusspflicht oder die Erstattung seiner Einlagen.
Arndt Kalkbrenner: Einen unmittelbaren Anspruch gegen die Sicherungseinrichtung des BVR hat das Mitglied nicht. Es hat aber den Anspruch aus dem jeweiligen Produktvertrag, zum Beispiel aus einem Sparvertrag. Und daraus ergibt sich ein Rückforderungsanspruch gegen die Bank.
Das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz verpflichtet Banken dazu, einem Einlagensicherungsfonds anzugehören. Über diese gesetzliche Mindesteinlagensicherung hinaus hat sich die Genossenschaftsbank durch Beitritt beim BVR dazu verpflichtet, der Sicherungseinrichtung anzugehören und das Statut der Sicherungseinrichtung des BVR anzuerkennen. Die Sicherungseinrichtung des BVR sorgt dafür, dass jede Genossenschaftsbank die Ansprüche ihrer Kunden jederzeit erfüllen kann, auch wenn die Bank keinen Rechtsanspruch darauf hat. Eines unmittelbaren Anspruchs des Kunden gegen die Sicherungseinrichtung bedarf es daher gar nicht.
Mit ihren Einlagen machen die Genossenschaftsbanken auch politische Lobbyarbeit. 2005 forderte beispielsweise der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken die Abschaffung des BAföG – ein Ziel mit dem möglicherweise viele Kunden ganz und gar nicht einverstanden wären. Wie kann auf die politische Ausrichtung der Genossenschaftsbanken Einfluss genommen werden? Und gibt es eine Pflicht zur Offenlegung solcher Ziele?
Arndt Kalkbrenner: Der BVR hatte seinerzeit ein einheitliches Studienfinanzierungskonzept für alle Studenten vorgeschlagen, anstatt parallel zum BAFöG noch Studienkredite einzuführen. Er ist ein Verein. Die Struktur einer Genossenschaft ist der eines Vereins sehr ähnlich. Das Organ einer Genossenschaft, in der sich die gemeinsame Willensbildung vollzieht, ist die Generalversammlung. Die Mitglieder können Themen zur Beschlussfassung durch die Generalversammlung bestimmen und auch die Einberufung von außerordentlichen Generalversammlungen verlangen. Sie können auf die Ausrichtung der Genossenschaft so einen nicht unwesentlichen Einfluss ausüben. Ähnlich vollzieht sich die Mitwirkung der Genossenschaftsbanken an der Ausrichtung des BVR, dessen Mitglieder sie sind.
Viele Unternehmen müssen sich derzeit Kritik wegen Managergehältern und Versagerabfindungen anhören, die weniger einer Leistungsbemessung als einem gegenseitigen Geldzuschustern entsprungen schienen. Teilen die Volks- und Raiffeisenbanken ihren Mitgliedern die Höhe der Vorstands- und Aufsichtsratsgehälter und der Abfindungen mit?
Arndt Kalkbrenner: In den Geschäftsberichten vieler Genossenschaftsbanken werden die Vorstandsgehälter bereits – in ihrer Gesamthöhe – ausgewiesen, auch wenn eine Rechtspflicht hierzu nicht besteht. Wenn sich ein Mitglied für die Höhe der einzelnen Gehälter interessiert, sollte es die Faustregel befolgen, mit der der Vorstandsvorsitzende der Berliner Volksbank, Hatje, es schön auf den Punkt gebracht hat: "Teilen sie die Gesamtbezüge durch fünf, und geben Sie dem Vorsitzenden ein bisschen mehr, dann haben Sie es." Das klingt ein bisschen lapidar, trifft aber letztlich zu. Aufsichtsräte dürfen gemäß dem deutschen Genossenschaftsrecht ohnehin keine Tantiemen erhalten.