Samstag, 1. Dezember 2007

Bankenkrise: "Geldspritze der EZB hilft nicht".

Gefunden bei der ftd.de:

Renten und Devisen
Geldspritze der EZB hilft nicht
von Yasmin Osman, Doris Grass und Mark Schrörs (Frankfurt)
Die der Europäischen Zentralbank (EZB) hat am Geldmarkt nicht für Entspannung gesorgt. Die Banken in der Euro-Zone liehen sich bei der Notenbank Geld zu so hohen Sätzen wie seit April 2001 nicht mehr.

Bei ihrem regulären Dreimonatstender teilte die EZB Banken 50 Mrd. Euro zum Durchschnitt von 4,7 Prozent zu und damit 70 Basispunkte über dem Leitzins. Geldhändler hatten nur mit einem Durchschnittszins von 4,65 Prozent gerechnet. Die Banken gaben Gebote über 132,4 Mrd. Euro ab.

Der Run der Institute auf Liquidität, die über den Jahresultimo zur Verfügung steht, ist ungebrochen. Jürgen Neuner, Geldhändler bei der LBBW, bezeichnete den Tender als "sehr teuer". Viele Banken gingen mit Blick auf ihren Liquiditätsbedarf zum Jahresultimo offenbar auf Nummer sicher und böten schon jetzt höhere Zinsen, um bei der Zuteilung berücksichtigt zu werden.

Beim Vormittagsfixing war der Zins für dreimonatige Euro-Ausleihungen, der Euribor, auf 4,743 Prozent gestiegen. "Der Druck an den Geldmärkten wird zum Jahresende voraussichtlich eskalieren", schreiben Analysten von Goldman Sachs. Grund sei, dass die Banken ihre Bilanzen angesichts des Drucks auf ihre Eigenkapitalquoten stärken wollen. Zum Jahresende steigt die Nachfrage von Banken nach Bargeld traditionell, auch weil Kunden Geld für Weihnachtskäufe benötigen. Angesichts der aktuellen Finanzierungsprobleme ist der Anreiz, sich bei EZB-Auktionen liquide Mittel zu sichern, daher groß.

Doch dieser "Jahresendeffekt" werde in diesem Jahr durch die infolge der Finanzturbulenzen gesunkenen Eigenkapitalquoten bei den Banken verstärkt. Besonders stark dürften sich laut Goldman die Renditeaufschläge für Dreimonatsgeld in Dollar und Pfund erhöhen. Aus Sicht der Analysten werden Maßnahmen der Zentralbanken daran bis Jahresende wenig ändern.

Für eine gute Stimmung an den Aktienmärkten sorgte am Mittwoch Fed-Vize Donald Kohn. An den Rentenmärkten sorgten dessen Hinweise auf Zinssenkungen wegen der steigenden Aktienkurse jedoch nur kurz für Erleichterung. Kohn betonte, die jüngsten Turbulenzen hätten die Verbesserungen der Marktlage im September und Oktober zum Teil umgekehrt: "Sollten die stärkeren Turbulenzen anhalten, würde das die Möglichkeit einer weiteren Straffung der Finanzierungsbedingungen für Haushalte und Unternehmen erhöhen." Die jüngste Verschlechterung habe er nicht vorhergesehen, sagte Kohn.

Die Aussagen sind bemerkenswert, weil die Fed in ihrem Protokoll von Ende Oktober Verbesserung der Liquiditätsprobleme attestiert und die beschlossene Zinssenkung um 25 Basispunkte auch deshalb als "knappe Sache" bezeichnet hatte. Kohns jetzige Aussagen verstärken Erwartungen, die Fed werde den Leitsatz bereits am 11. Dezember weiter zurücknehmen. Seit September hat sie ihn um 75 Basispunkte gesenkt.

"Finanzmarktstörungen können die Abwärtsrisiken für die Wirtschaft erheblich erhöhen. Die Fed wird auf die jüngste Verschlechterung der Marktbedingungen mit einer weiteren Zinssenkung reagieren", sagte Kevin Logan, US-Chefvolkswirt bei Dresdner Kleinwort. Die Fed hat zuletzt aber versucht zu verhindern, dass die Märkte sich auf weitere Lockerungen fest einschießen. Kohn betonte im Hinblick auf den Wirtschaftsausblick, "die Unsicherheit erfordert eine flexible und pragmatische Geldpolitik".

Bei Staatsanleihen stieg die Rendite zweijähriger US-Titel bis 19 Uhr MEZ um zehn Basispunkte, diejenige von deutschen Anleihen um zwölf Basispunkte. "Nach der ausgeprägten Rally am Anleihemarkt war es Zeit für eine Korrektur", sagte Karsten Linowsky, Zinsanalyst von Credit Suisse. Zu den schwachen Bondmärkten hätten auch die wachsende Geldmenge in der Euro-Zone sowie die enorm hohen deutschen Inflationsdaten vom Vortag beigetragen, sagte Eugen Keller von Bankhaus Metzler. Mit einer Trendwende rechnen Analysten deswegen nicht. "Der Geldmarkt zeigt, die Unsicherheit ist noch nicht vorüber", so Linowsky.

Der US-Dollar befestigte sich erneut auf breiter Front. Für gute Stimmung sorgte wie am Vortag der Einstieg Abu Dhabis bei der Citibank. "Das hat signalisiert, die USA bleiben nicht im Regen stehen, von außen kommen Geldspritzen", so Keller. Harte Fakten, die eine Dollar-Aufwertung rechtfertigen würden, gebe es aber nicht. Die Euro-Schwäche hatte sich schon am Vortag angekündigt, als der Dollar sich trotz schwacher Konjunkturdaten habe erholen können, sagte Rainer Sartoris, von HSBC Trinkaus & Burkhardt.

Aus der FTD vom 29.11.2007
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